Wer bei „Paradies-Diät“ an Bäche aus Milch und Honig  denkt, muss enttäuscht werden. Das Paradiesische im Titel der Trend-Diät bezieht sich auf eine Rückbesinnung auf die Zeit vor Ceranfeld und beschichteten Pfannen. Es gilt: alles vegan und alles roh.

Entstanden ist die Ernährungsform in den USA, der englische Slogan „low fat raw vegan“ gibt die Eckpunkte der veganen und fettarmen Kost vor. Am Speiseplan stehen nur rohes Obst und Gemüse. Etwas genauer sieht die Speisenfolge so aus: Achtzig Prozent der Kalorien werden aus Obst, zehn Prozent aus Grünzeug und zehn Prozent aus fetthaltigen Avocados, Nüssen oder Samen bezogen. Paradiesisch klingen auch die versprochenen Effekte: Die Diät soll nicht nur schlanker und fitter, sondern auch den Kopf klarer und die Seele glücklicher machen.

Das Buch:
Das Buch: "Die Paradies-Diät" von Bernhard Salamon. Edition a, 19,95 Euro © kk

Vorteil: Keine Fertigprodukte

Aber: Kann der totale Umstieg auf Rohkost gesund sein? Die Ernährungsexpertinnen Sonja Lackner (MedUni Graz) und Manuela Konrad (FH Joanneum) haben die Diät beurteilt. Zunächst die positiven Punkte: „Der große Vorteil ist, dass keine verarbeiteten Lebensmittel wie Fertigprodukte gegessen werden“, sagt Konrad. Außerdem wisse man, dass viel Obst und Gemüse vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes schützen können.

Nicht saisonal oder regional

Aber: Der erste Kritikpunkt der Expertinnen ist die Auswahl der Lebensmittel. „Ein Großteil der Nährstoffe wird über exotische Früchte aufgenommen“, sagt Lackner. So kann zum Beispiel nur durch große Mengen Bananen die nötige Energiemenge gegessen werden. Auch Datteln oder Mangos stehen am Speiseplan – mit regionaler und saisonaler Kost habe das nichts zu tun und ist daher auch aus ökologischer Sicht kritisch zu sehen.

Kritisch ist auch die Versorgung mit wichtigen Nährstoffen: Die Expertinnen orten ein Zuwenig an Vitamin B12 und Jod, ebenso wie bei den essenziellen Fettsäuren – eine halbe Avocado pro Tag sei zu wenig. „Durch den Mangel an Fett können auch fettlösliche Vitamine nicht aufgenommen werden“, sagt Konrad. Und: Da keine Hülsenfrüchte, kein Getreide, keine Kartoffeln gegessen werden, ist die Eiweißzufuhr zu gering, sagen die Expertinnen.

Achtung, Blähungen!

„Meine Verdauung war mit der Umstellung sofort besser“, sagt Bernhard Salomon, der seine Erfahrungen mit der „Paradies-Diät“ in ein Buch packte (siehe oben). Ist das Kochen von Lebensmitteln gar nicht notwendig?

„Bestimmte Nährstoffe kann der Körper leichter aufnehmen, wenn sie erhitzt werden“, entgegnet Lackner. Lebensmittel werden durchs Kochen besser verdaulich – Rohkost müsse daher länger gekaut werden, damit sie gut verdaut werden könne. Der Magen-Darm-Trakt könne auch an der großen Menge Ballaststoffe leiden, die durch die Rohkost aufgenommen wird, und sich durch Blähungen bemerkbar macht.

Bewegung macht "high"

Aber wie kommt es zu den beschriebenen Glücks- und Hochgefühlen? Autor Salomon beschreibt, dass er sich nicht nur anders ernährt, sondern auch viel mehr bewegt – die Bewegung kann laut Expertinnen der Grund sein, warum man sich fitter und gesünder fühlt. „Gegen Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes hilft keine Ernährungsänderung oder Tablette so gut wie Bewegung“, sagt Konrad.

Kann diese Diät zur langfristigen Ernährungsumstellung führen? „Nein“, sind sich Konrad und Lackner einig. Eine kurzfristige Umstellung schule die Sinne und verlange eine intensive Beschäftigung mit der Ernährung – das ist positiv. Aber: Es gilt die Empfehlung, sich möglichst abwechslungsreich zu ernähren – da haben auch Milch und Honig Platz.