Antibiotika, Krebs- und Malaria-Mittel, cholesterinsenkende Arzneien, Schmerzmittel und Viagra - das sind die "Renner" bei jenen Medikamenten, die von Fälschern in immer größeren Mengen produziert werden. Vertrieben werden sie zumeist über dubiose Versandhäuser, die ihre Ware über das Internet vertreiben.

Verdächtig seien vor allem Versandapotheken, die verschreibungspflichtige Mittel wie etwa das Potenzmittel Viagra verschreibungsfrei anböten, sagte gestern Axel Thiele vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medikamentenprodukte. Thiele: "Eine entsprechende Google-Suche ergab gestern mehr als 220.000 Treffer." Auch wenn eine Website Möglichkeiten anbiete, die Verschreibungspflicht zu umgehen - etwa durch das Beantworten einiger Fragen, die dann angeblich von einem Arzt bewertet würden -, sollten die Alarmglocken läuten, sagte der Experte.

Neben dem Pseudo-Viagra und falschen Grippe-Mitteln wie "Tamiflu" zählen vor allem "Vitamin"-Präparate und andere Lifestyle-Produkte zu jenen Medikamenten, die von dubiosen Apotheken-Versandhäusern - es gibt sie neben wenigen seriösen Anbietern in immer größerer Zahl -, über das Internet beworben werden. EU-Industriekommissar Günter Verheugen warnt: "Die Zahl der gefälschten Arzneimittel in Europa, die beim Patienten landen, steigt beängstigend an", sagte Verheugen.

Die EU habe bei gezielten Zollkontrollen in allen Mitgliedsländern innerhalb von nur zwei Monaten allein 34 Millionen gefälschte Tabletten sichergestellt. Verheugen: "Das hat alle Befürchtungen übertroffen."

72 Webseiten geschlossen

Der Industriekommissar bezog sich offenbar auf eine konzertierte Aktion der europäischen Zollbehörden im vergangenen Jahr. Nach Prüfung aller Verdachtsfälle wurde die Zahl der Fälschungen allerdings auf 32 Millionen korrigiert, sagte Steuerkommissars Laszlo Kovacs.

Erst im November hatte außerdem die Polizeiorganisation Interpol eine Operation gegen illegalen Medikamentenhandel im Internet durchgeführt. An der in 24 Ländern, darunter Österreich, durchgeführten Aktion war die WHO beteiligt. Während der knapp einwöchigen Kontrollen hatten die Ermittler 751 Webseiten mit illegalen Aktivitäten entdeckt, 72 wurden geschlossen.

995 Medikamentenpäckchen wurden abgefangen und fast 167.000 illegale und gefälschte Tabletten beschlagnahmt. 22 Verdächtigen wurde unter anderem der Verkauf von nachgemachten oder verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vorgeworfen.

Medikamentenfälschungen seien ein Kapitalverbrechen, das mit aller Härte bestraft werden müsse, sagte Verheugen. "Jede Fälschung von Medikamenten ist ein versuchter Massenmord. Selbst wenn ein Medikament nur unwirksame Stoffe enthält, kann es dazu führen, dass Menschen daran sterben, weil sie glauben, ihre Krankheit mit einem wirksamen Mittel zu behandeln."

Die Kommission hatte bereits im Juli vor gefälschten Medikamenten gewarnt. Mit der neuerlichen Mahnung will Verheugen Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen um ein Bündel aus mehreren EU-Richtlinien und Verordnungen bringen. Streitpunkt ist, ob und wie die Pharmaindustrie die Patienten direkt informieren darf und das womöglich das Werbeverbot ins Wanken bringen könnte.