Ein Baby zu bekommen, ist das größte Geschenk. Wenn einen das Baby anlächelt, dann sind alle Strapazen vergessen. Oder: Mein Baby hat von Beginn an durchgeschlafen und überhaupt, geschrien hat es praktisch nicht. Bekommt man ein Kind, wird man als Frau mit unzähligen solcher Märchen und Mythen konfrontiert. Es kann schon sein, dass diese Erzählungen für manche Familien zutreffen. Aber sicher nicht für alle. Dennoch wird Schwangeren und jungen Müttern suggeriert, als Mutter die Schönste sein zu müssen, jene sein zu müssen, deren Haushalt immer perfekt organisiert ist.
All das baut enormen Druck auf, in einer Zeit, die durch die Geburt, die Genesung und das Kennenlernen ohnehin außergewöhnlich herausfordernd ist. Bei vielen Frauen kommen in Folge Gefühle der Einsamkeit, des Nicht-genug-seins auf. Und diese Gefühle können Anzeichen für eine Wochenbettdepression sein. „Die postpartale Depression tritt bei zehn bis 15 Prozent der Frauen im ersten Jahr nach der Entbindung auf“, sagt Theresa Lahousen-Luxenberger, Leiterin der Psychiatrischen Abteilung am Klinikum Klagenfurt. Zu den Symptomen gehören depressive Verstimmungen, Antriebslosigkeit, Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit und auch suizidale Gedanken. „Die Betroffenen, die zu uns kommen, fühlen sich rastlos, sie schlafen schlecht, spüren sich selbst nicht richtig, haben Schuldgefühle gegenüber ihrem Kind“, schildert Anja Rass-Radda, Leiterin der Spezialambulanz am Klinikum Klagenfurt. Hinzu kommen würden außerdem enorme Versagensängste: „Ich bin nicht gut genug, ich kann nicht gut genug für mein Kind sorgen. Und jede dieser jungen Mütter glaubt, nur ihr geht es so.“
Wochenbettdepression: Wie man Betroffene unterstützen kann
Für das Team in der Spezialambulanz geht es zu Beginn vor allem darum, den jungen Müttern zu vermitteln, dass sie nicht allein sind und dass es normal ist, sich nicht ständig „wie auf Wolke sieben zu fühlen. Es ist normal und in Ordnung, sich erschöpft zu fühlen und: Jedes Baby ist anders“, erklärt Rass-Radda. Häufig können schon kleine Maßnahmen helfen, eine Wochenbettdepression in den Griff zu bekommen. „Wir besprechen, wie Entlastungen aussehen können und oft reicht es zu wissen, nicht alles selbst schaffen zu müssen.“ So werden rasche, effektive Entspannungstechniken ebenso gezeigt, wie auch die Väter einbezogen werden. „Es geht darum, das Team zu aktivieren“, sagt Rass-Radda. Auch andere Bezugspersonen können integriert werden – Großeltern, Tanten, Onkel. „Denn ein Kind kann nicht genug Liebe haben.“
Bringen diese individuell abgestimmten Maßnahmen nicht den erwünschten Erfolg, kann eine Wochenbettdepression mithilfe einer Psychotherapie sowie auch medikamentös behandelt werden. Abhängig von den verschriebenen Präparaten ist es auch möglich, das Baby weiter zu stillen. „Es werden hauptsächlich Antidepressiva eingesetzt, die Wahl der geeigneten Behandlung hängt in der Regel von der Schwere der Erkrankung ab“, sagt Lahousen-Luxenberger. Und die Schwere einer postpartalen Depression kann von Frau zu Frau unterschiedlich sein. Unbehandelt kann diese schwere Langzeitfolgen sowohl für die Mutter als auch das Kind nach sich ziehen. Denn durch die Depression kann auch die Entwicklung der Bindung zum Kind und auch die Entwicklung des Kindes in Bezug auf Sprache, kognitive sowie emotionale Fähigkeiten gestört werden. „Aber, eine postpartale Depression ist gut behandelbar“, weiß die Expertin. Auch aus diesem Grund ist eine frühe Diagnose so wichtig.
Was genau eine Wochenbettdepression auslöst, ist unklar. Bekannt sind aber bestimmte Faktoren, die das Risiko, an einer solchen Depression zu erkranken, erhöhen. „Psychische Vorerkrankungen wie Depressionen und Angststörungen, psychosoziale Stressoren in der Schwangerschaft oder auch traumatische Geburtserlebnisse zählen zu den häufigsten Risikofaktoren für postpartale Depression“, erklärt Lahousen-Luxenberger.
„Jeder kann reagieren, jeder kann Hilfe holen“, rät Rass-Radda auch Angehörigen. Denn betroffene Mütter behalten negative Gedanken meist länger für sich. Bemerken Partner oder Angehörige entsprechende Veränderungen, sollten sie mit Feingefühl und ohne Schuldzuweisungen die Betroffene darauf ansprechen. Unterstützung gibt es etwa über „Frühe Hilfen“ direkt in den Gemeinden, den eigenen Hausarzt, die eigene Hausärztin, oder eben auch über Spezialambulanzen. Auch im ersten Gespräch in der Ambulanz gehe es darum, den Betroffenen zu vermitteln, welche Möglichkeiten und Angebote zur Unterstützung es gibt. „Das Ziel ist, die Mütter so zu unterstützen, dass sie so ausgeglichen und gelassen wie möglich sein können“, sagt Rass-Radda. „Denn es ist eine der wesentlichsten Veränderungen im Leben, ein Kind zu bekommen – das ist schön, aber auch anstrengend.“ Gerade in den ersten Wochen. Aus diesem Grund rät die Expertin jungen Müttern bewusst Auszeiten zu nehmen, so kurz sie auch sein mögen. „Wenn etwa das Baby schläft, sollte man sich die Zeit nehmen, die Füße hochzulegen, sich auszurasten.“