„Im Sinne der Kindergesundheit führt kein Weg daran vorbei: Wir brauchen ein Smartphone-Verbot in den Schulen.“ Mit diesem Vorstoß meldet sich der Public-Health-Experte Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien zum Schulstart zu Wort.

Schon seit den 1990er Jahren beschäftigt sich der Gesundheitswissenschaftler mit dem Thema Handy – von Smartphones war damals noch keine Rede. Damals ging es vor allem um die Frage: Welche gesundheitlichen Auswirkungen hat die elektromagnetische Strahlung der Handys auf Kinder und Jugendliche? „Damals haben wir mit Eltern über den Sendemasten am Schuldach und dessen Auswirkungen diskutiert“, sagt Hutter – heute sind die Themen freilich ganz andere. Die exzessive Smartphone-Nutzung steht im Verdacht, für die immer schlechter werdende psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mitverantwortlich zu sein.

Das zeigte auch der steirische Medienpädagoge Lukas Wagner in einem Interview mit der Kleinen Zeitung auf: „Der Aufstieg des Smartphones und der Abbau der psychischen Gesundheit bei Jungen ging Hand in Hand – nicht nur in Österreich, sondern in allen westlichen Ländern.“ Wagner unterstreicht aber auch, dass laut Untersuchungen nicht per se das Smartphone das Problem ist, sondern die sozialen Medien, die über diese Geräte ständig genutzt werden.

Dieses Video könnte Sie auch interessieren

Smartphones bergen Suchtgefahr

„Wir haben die Smartphones auf unsere Kinder und Jugendlichen losgelassen, ohne irgendwelche begleitenden Maßnahmen zu setzen“, sagt Public-Health-Experte Hutter. Schon früh habe sich gezeigt, dass die Handynutzung zu Suchtverhalten führen könne: Modewörter wie „FOMO“ (fear of missing out) beschreiben das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn man auch nur kurz ohne Handy ist. „Wir haben schon früh bei Erwachsenen gesehen, dass sie nervös werden, wenn sie ohne Handy sind – damit war klar, dass diese Suchtgefahr bei Kindern und Jugendlichen noch größer sein kann“, sagt Hutter. Am uneingeschränkten Gebrauch habe das allerdings nichts geändert.

Die Folgen übermäßiger Smartphone-Nutzung zeigen sich in immer mehr Untersuchungen: „Depressionen, Ängste, Zwangsstörungen, suizidale Gedanken nehmen zu, je mehr Zeit Jugendliche am Handy verbringen“, fasst Hutter zusammen. Auch kognitive und mentale Beeinträchtigungen, wie eine geringere Aufmerksamkeitsspanne, ein geringeres Selbstwertgefühl und eine schlechtere Regulierung der eigenen Emotionen gehen mit mehr Zeit am Smartphone einher. „Am härtesten trifft es Mädchen“, sagt Psychotherapeut Lukas Wagner: „Zehn- bis 13-Jährige haben ein vielfach erhöhtes Risiko, eine Essstörung zu entwickeln, die Sozialen Medien sind ja voll mit falschen Körperbildern.“ Durch zu viel Zeit am Handy fehle Kindern und Jugendlichen: echter Kontakt zu anderen und Beziehungen in der realen Welt, sowie die Zeit, um im Freien zu sein und in Bewegung zu kommen. Das zeigt sich auch an körperlichen Auswirkungen, wie Hutter unterstreicht: „Schlafstörungen sind das größte Problem, aber auch die körperliche Fitness nimmt ab, Kopfschmerzen und andere unspezifische Beschwerden nehmen zu, wozu auch ungesunde Ernährung beiträgt.“

Handys in einen Raum sperren

„Es gibt also“, fasst Hutter zusammen, „jede Menge Symptome, die zeigen, dass übermäßiger Smartphone-Konsum der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen abträglich ist.“ Ein Verbot von Handys in Schulen könne einerseits das soziale Miteinander fördern, andererseits sich auf die Lernleistung positiv auswirken. Auch Wagner plädiert dafür, Handys aus den Schulen zu verbannen: Wie das aussehen könnte, beschreibt er so: „Die Handys werden vor Unterrichtsbeginn in einem Raum weggesperrt und bleiben dort, bis der Unterricht vorbei ist. Damit schaffe ich einen ablenkungsfreien Raum und die Jugendlichen müssen in den Pausen miteinander interagieren, anstatt aufs Handy zu schauen.“

Dass ein Verbot alleine aber zu kurz gegriffen sei, weiß Mediziner Hutter: „Neben der Restriktion braucht es aber auch die Bildung: Wie gehe ich mit dem Handy richtig um? Die Medienkompetenz unserer Kinder und Jugendlichen ist ungemein hoch, aber es muss die kritische Distanz zu den Informationen geschult werden.“ Hutter will seinen Vorstoß auch nicht als „Rückschritt ins Mittelalter“ gewertet wissen: „Als Lehrmittel für die Schulung der Medienkompetenz kann das Handy eingesetzt werden.“

Für die Umsetzung brauche es klare Regeln durch die Politik, die für alle Schulen gelten sollen. Hutter sagt, ihm sei bewusst, dass das eine Mammutaufgabe für Schulen, Lehrpersonal und Eltern bedeute, aber: „Es geht um die Gesundheit unserer Kinder, wir dürfen nicht länger wegschauen.“