Eltern, die für ihr Kind keinen Kassen-Kinderarzt mehr finden; Kinder mit Hörstörungen, die ein Jahr auf einen Termin beim HNO-Facharzt und ein bis zwei Jahre auf einen Platz für die Logopädie warten; chronisch kranke Kinder, die keinen Kindergartenplatz bekommen: Mit diesen Beispielen machen Fachleute auf die Mangelversorgung von Kindern in Österreich aufmerksam: Die Plattform #besserbehandelt.at will noch vor den Wahlen im Herbst die Politik wachrütteln. „Das ist ein nationaler Aufschrei. Die Kindergesundheit ist in Not“, sagte Sonja Gobara, Mit-Initiatorin der neuen Plattform und selbst Kinderfachärztin.

So sei es für viele Eltern fast unmöglich, eine Kinderärztin, einen Kinderarzt mit Kassenvertrag zu finden, besonders im ländlichen Raum. In Niederösterreich ist jede vierte Kassen-Kinderarztstelle unbesetzt, in Oberösterreich jede sechste. In einigen Bezirken gibt es gar keine Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde mit Kassenvertrag, sodass die Eltern sehr lange Anfahrtswege auf sich nehmen müssen. In Wien können mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Kassen-Kinderärzte aufgrund der Auslastung keine neuen Patienten aufnehmen.

Auch eine Untersuchung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) hatte im vergangenen Jahr aufgezeigt, dass österreichweit 25 pädiatrische Kassenstellen unbesetzt sind. Das Problem werde sich aufgrund einer Pensionierungswelle in den nächsten sieben Jahren verschärfen, warnt die Gesellschaft. Demnach werden 169 (18 Prozent) der aktuell tätigen Kinderärzte in den Ruhestand gehen.

Nach wie vor bestehe ein massiver Mangel an kostenfreien Diagnose- und Therapieplätzen für Kinder mit chronischen Erkrankungen oder Entwicklungsverzögerungen. „Wir bräuchten im Vergleich zur Versorgung in Deutschland sechsmal so viele Logopäden und siebenmal so viele Ergotherapeuten, die ihre Leistungen mit den Sozialversicherungen verrechnen. In Anbetracht der Zeitfenster, etwa für die Sprachentwicklung, ist das, mit allen Auswirkungen auf den Bildungsweg der Kinder, schlichtweg unzumutbar“, sagte Gobara.

Große Lücken bei psychotherapeutischer Versorgung

Eine Befragung der Kinderliga aus dem Jahr 2022 hatte gezeigt, dass der Bedarf an psychosozialer oder therapeutischer Betreuung laut 79 Prozent aller befragten Psychotherapeuten und klinischen Psychologen das aktuelle Angebot um 45 Prozent übersteigt. „Mithilfe von Zuzahlung im privaten Wahlärzte- und Wahltherapeuten-Bereich können Wartezeiten für einige Kinder zwar verkürzt werden, dies stellt aber für viele Familien eine unüberwindbare Hürde dar und widerspricht einer gesundheitlichen Chancengleichheit und -gerechtigkeit“, betonte Caroline Culen, Geschäftsführerin der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit. Ein weiteres Problem: Die Versorgungslage hänge oft von der Postleitzahl ab. „Sowohl die jeweiligen Gesundheitsangebote als auch die Kassenfinanzierungen sind in Österreich regional sehr ungleich verteilt. Es zeigt sich ein regelrechter ‚Fleckerlteppich‘. Die Angebote sind zumeist nicht am Bedarf orientiert, sondern historisch gewachsen“, sagt Culen.

Sonja Gobara, Plattform #besserbehandelt.at
Sonja Gobara, Plattform #besserbehandelt.at © Human Touch PR

„Wir fordern eine zukünftige Bundesregierung auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und eine kostenfreie, flächendeckende, ausreichende Versorgung ohne Diskriminierung von Kindern mit Behinderung oder chronischer Erkrankung oder aus finanziell schwachen Familien zu sichern“, appellierte Gobara. „Es ist jedenfalls hoch an der Zeit, in einer gemeinsamen Anstrengung eine breite Öffentlichkeit von den massiven Defiziten in der Gesundheitsversorgung unserer Kinder zu informieren und um Unterstützung für diese so wichtige Bewegung zu bitten“, hielt sie fest.

Gesundheitsminister Johannes Rauch reagierte auf die Initiative: „Wir wissen, dass wir bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen, insbesondere was die mentale Gesundheit angeht, eine Problemlage haben.“ So sei das Programm „Gesund aus der Krise“ zur Behandlung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen bereits aufgestockt und verlängert worden.