Zöliakie – immer mehr Menschen trifft diese Diagnose wie der Blitz aus heiterem Himmel. Diese Autoimmunerkrankung bedeutet lebenslangen und absoluten Verzicht auf Gluten. Das Protein findet sich in allen Speisen mit herkömmlichen Mehlsorten (Weizen, Dinkle, Roggen etc.), aber auch in vielen Fertiggerichten und Gewürzen zum Beispiel als Gerstenmalzextrakt. Es gibt keine Heilung – und je rascher die Diagnose gestellt wird, desto besser. Denn Gluten bringt den Körper dazu, den eigenen Dünndarm anzugreifen, die Darmzotten flachen ab, es kommt zu entzündlichen Prozessen, die Nahrung kann nicht vollständig verwertet werden und dies kann zu weiteren Erkrankungen führen wie z.B. Osteoporose.

In Graz fand Anfang Mai mit fast 900 Teilnehmern der bisher größte Zöliakie-Kongress in der Geschichte des Verbands „Österreichische Arbeitsgemeinschaft Zöliakie“ statt. Das Interesse war groß, nicht nur an den kostenlosen Proben und an der Backvorführung mit dem Glutenfrei-Bäckermeister Oliver Welling, sondern auch an den zahlreichen Vorträgen führender Ärzte auf dem Gebiet.

Halten sich die Betroffenen an die strikte glutenfreie Ernährung, werden sie mit einem symptomfreien Leben belohnt. Fallen lauern leider überall, zum Beispiel in Form von Lebensmitteln, die eigentlich von Natur aus glutenfrei sind (Buchweizenmehl, Maismehl, Polenta und andere). Denn sie sind meist mit Weizen verunreinigt, zu der Kontamination kommt es beim Mahlen oder der Verarbeitung. Auch das Essen in Restaurants wird kompliziert. Wenige Köche kennen sich mit der Materie wirklich gut aus, und bei allem Entgegenkommen, das vielerorts herrscht: In Küchen während des normalen Betriebs auf die Vermeidung von Kontamination zu achten, ist aufwändig. Es dürfen sich keine glutenhaltigen Speisereste im Kochgeschirr und auf den Zubereitungsplätzen befinden, doch das sollte aufgrund der geltenden Hygienevorschriften ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein.

Nur auf das internationale  Glutenfrei-Symbol - die durchgestrichene Ähre mit der Registrierungsnummer - ist Verlass
Nur auf das internationale Glutenfrei-Symbol - die durchgestrichene Ähre mit der Registrierungsnummer - ist Verlass © Österr. Arbeitsgemeinschaft Zöliakie

Aufhorchen ließ gleich zu Beginn ihres Vortrags Almuthe Hauer (Leiterin der AG Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung an der Grazer Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde) mit der Information, dass es in Österreich immerhin 18 Kinderärzte mit dem Zusatzfach Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährungsmedizin für Kinder gäbe, die nach internationalen Kriterien zertifiziert seien – deutlich mehr als in anderen Ländern. Nicht unbedeutend bei einer Erkrankung, deren Diagnose mit 256 verschiedenen Symptomen höchst komplex ist. So gilt Zöliakie als „Chamäleon“ unter den Krankheiten, da sie Eisenmangel, chronische Kopfschmerzen, Durchfall, Verstopfung, Bauchschmerzen, Blähungen, Erschöpfung, Depression, Magenprobleme und noch vieles mehr im Repertoire hat. Unbehandelt kann die Zöliakie durch die Mangelernährung Wachstumsstörung bei Kindern und Jugendlichen verursachen.

Biopsie bei Kindern nötig

Die Diagnose sei grundsätzlich einfach: Bluttest plus Biopsie, das Schwierige daran ist nur, dass viele Ärzte nicht daran denken würden, weil die Zöliakie immer noch zu wenig bekannt sei. Je rascher die Diagnose gestellt werde, desto besser. Sie erfolge durch den Zöliakie-spezifischen Bluttest und anschließender Gastroskopie, bei der Gewebeproben der Dünndarmschleimhaut völlig schmerzlos entnommen würden. Hauer wurde 2020 neuerlich in die ESPGHAN berufen, ein Weltgremium, in dem man auf chronisch-entzündliche Darmerkrankungen bei Kindern fokussiert.

Zöliakie gilt als Chamäleon unter den Krankheiten
Zöliakie gilt als Chamäleon unter den Krankheiten © Samec/Vortrag Hauer

Eine positive Nachricht für Zöliakie-Betroffene hatte Gastroenterologin Lili Kazemi-Shirazi (Leiterin der Spezialambulanz für Zöliakie am AKH Wien) im Gepäck: Man wisse zwar nicht, warum, aber Zöliakie würde das Risiko für Brustkrebs verringern. Spontanen Applaus erntete sie mit ihrem Appell an alle Betroffenen: „Wir haben alle nur ein Leben, also sollten wir es genießen, sonst war es umsonst.“ Und auch die Vorsitzende des Verbands, Gründungsmitglied Hertha Deutsch, machte Mut: „Glauben Sie nicht, was in Sozialen Medien über Angst vor Gluten-Spuren in der Luft etc. geschrieben wird. Wenn Sie sich an unsere Informationen im Zöliakie-Handbuch und aus den Ernährungsseminaren halten, sind Sie auf der sicheren Seite und können ein angstfreies Leben führen.“