Noch ist der Kuchen nicht gegessen. Noch warten der mündliche Teil der Zentralmatura, die letzte Schularbeitenrunde, die Semesterabschlussprüfungen auf den Universitäten. Für Schüler und Studenten mit Prüfungsangst eine horrible Perspektive. Kampf- und Motivationsparolen wie „Augen zu, Zähne zusammenbeißen und durch!“ wirken bei ihnen nämlich nicht, meist bewirken sie sogar das Gegenteil: Die Leistungskurve bricht noch rasanter Richtung Abgrund, das eigentlich vorhandene Potenzial bleibt eingesperrt in einem Käfig aus Selbstzweifeln, Ausreden und Blockaden.
„Der Stress zieht die Energie aus dem Großhirn ab, man ist nur noch auf Flucht eingestellt“, erklärt Gehirntrainerin Andrea Klein die fehlgeleiteten (Ur-) Instinkte. Was in der Steinzeit das Überleben garantierte, steht dem modernen Menschen im Weg. Die Folgen: flauer Magen, schneller Puls, kalter Schweiß, verspannte Muskeln, im schlimmsten Fall ein völliges Blackout. „Denkt man zu viel über sich, seine Defizite und mögliche Folgen nach, kommt es zu einer Art Blockade im aufgabenbezogenen Denken und man kann kein Wissen mehr wiedergeben“, beschreibt die Psychologin Barbara Schober vom Institut für Angewandte Psychologie der Universität Wien diesen Teufelskreis.
Eine Eigendynamik, die zu Vermeidungs- und Verdrängungsstartegien führen kann – Prüfungstermine werden verschoben oder abgesagt –, aber auch zu ernsthaften psychosomatischen Problemen (Müdigkeit, Kopfschmerzen, Appetit- und Schlaflosigkeit). Die Gründe können vielfältig sein: Man hat zu wenig gelernt, zu hohe Ansprüche an sich selbst, Angst vor Misserfolg, usw. Das alles erzeugt und erhöht den Druck.
Kampfansage
„Sind wir dagegen entspannt, bleiben die Muskeln weich und das Gehirn wird mit Sauerstoff und Wissen versorgt“, sagt Klein und liefert einen ersten Trick, um sich aus der Anspannung zu befreien: Genüsslich gähnen, bewusst seufzen, herzhaft strecken und dehnen. „So signalisiere ich dem Hirn: Alles in Ordnung.“
Kleins Kampfansage an den inneren Zweifler: ihn zum Verbündeten machen. Bei ihrer Arbeit mit betroffenen Schülern greift die Pädagogin dabei auf eine niederschwellige Personalisierungsmethode der negativen wie positiven Gedankenseite zurück. „Otto Obizahrer und Rudi Raunzer gegen Mister Positiv und Didi Dukannstes“, gibt sie dem Schrecken und seinem Gegenspieler einen konkreten Namen. „So wird der Schrecken nur noch zu einem Teil von uns und nimmt uns nicht mehr vollständig ein.“
Ganz totschweigen soll und lässt sie die Raunzer-Seite nämlich ohnehin nicht, aber man kann ihr den Wind aus den Segeln nehmen. Parallel muss man aber an der eigenen Einstellung arbeiten und „Mister Positiv“ mit motivierenden Parolen („Das schaff ich!“) zu Wort kommen lassen. Die Kraft positiven Denkens dürfe man nicht unterschätzen, sagen Psychologen.
Lernstrategie
Damit ist ein mentales Grundsetting geschaffen, auf dem sich wirkungsvollere Lernmethoden aufbauen lassen. Denn bei vielen Betroffenen reicht schon zu lernen, wie man richtig lernt. Ein hektisches Last-minute-Lernen bringt in den meisten Fällen nämlich nichts, sondern steigert nur die Nervosität. Stattdessen sollte man sich eine Lernstrategie zurechtlegen, den Stoff portionieren, einen Etappenplan erstellen (der penibel eingehalten wird) und regelmäßig Pause machen und das Gelernte wiederholen. „Nicht zu viel auf einmal lernen, sondern spätestens nach 15 Minuten wiederholen – das Gehirn vergisst nämlich in dieser Zeit bereits die Hälfte wieder“, rät Klein.
Weitere Wiederholungsrunden sollten nach zwei Stunden beziehungsweise nach einem Tag eingeschoben werden und vor dem Schlafengehen. Klein: „Der Lernstoff wird in der Nacht gratis gespeichert.“ Andere Tricks aus ihrem Ratgeber-Koffer: Post-its an Orten anbringen, an denen man oft vorbeigeht oder sich regelmäßig aufhält (Klein spricht von der „WC-Akademie“). Und selbst auf das Smartphone müsse man nicht verzichten: Man kann den Lernstoff aufnehmen und immer wieder anhören.
Klaus Höfler