Am Ende nimmt er sich das Leben.

Über mehrere Wochen wird der damals 13-jährige Bub aus Velden am Wörthersee von Schulkameraden über das Internet angefeindet, via Facebook für seine Kleidung, sein Aussehen lächerlich gemacht, immer wieder auch als homosexuell denunziert. Beim Opfer wandelt sich die Wut zunehmend in Wehrlosigkeit, Ärger mutiert zu Verzweiflung, die Angst wächst zum beklemmenden Gefühl der Ausweglosigkeit – und führt in eine Tragödie. Selbstmord.

Es ist ein besonders dramatischer, aber klassischer Fall von sogenanntem Cybermobbing – also Mobbing mit einem für alle einsehbaren Tatort in den sozialen Medien. Die „Tatwaffen“: beleidigende Postings und schäbige Links.

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Als sich der geschilderte Fall vor acht Jahren ereignet, gibt es allerdings noch keine rechtliche Handhabe gegen derartige Attacken. Erst seit 1. Jänner 2016 gilt in Österreich ein entsprechendes Gesetz, das Cybermobbing strafbar macht. Bis zu ein Jahr Gefängnis droht den Tätern, begeht das Opfer Selbstmord, erhöht sich das Strafausmaß auf bis zu drei Jahre.

Cybermobbing ist strafbar

Ihren Sohn können Paragrafen, Anzeigen und Verurteilungen freilich nicht mehr ins Leben zurückholen. Ihre tragische Familiengeschichte vor knapp drei Jahren offen und öffentlich für einen Films zum Thema Cybermobbing der Uni Klagenfurt zu erzählen, sei aber nicht nur eine Art der Trauerarbeit gewesen, Michaela Horn wollte damit auch Aufklärungsarbeit leisten. Sie wolle anderen Eltern ein ähnliches Schicksal ersparen und Jugendliche sensibilisieren. „Ihnen muss bewusst werden, dass der andere am Computer ein Mensch mit echten Gefühlen ist“, betonte Horn damals.

Diese warnende Weckruffunktion verbindet die Kärntnerin mit Carrie Golldege aus Südengland. Die Britin sorgt dieser Tage mit einem alarmierenden Facebook-Eintrag für internationale Aufmerksamkeit, in dem sie die Leidensgeschichte ihrer sechsjährigen Tochter erzählt: Das Mädchen litt nach permanenten, sich über eineinhalb Jahre ziehenden Anfeindungen durch eine Schul-„Freundin“ unter Schlaflosigkeit, massiven Angst- und Essstörungen und musste am Ende im Krankenhaus behandelt werden. „Sie ist nur eine von vielen. Zu vielen“, schreibt die verzweifelte Mutter, die durch Outing darauf aufmerksam machen will, dass Mobbing eine Form der Gewalt ist, die auch körperlich krank machen kann.

Österreich führt in Europa-Statistik

Die Bewusstseinsbildung dafür läuft allerdings nur langsam an – und manchmal in die falsche Richtung. So registriert die Statistik Austria bereits seit 2007 keine Mobbingfälle mehr.
Aus den Augen, aus dem Sinn? Nicht ganz. Denn einschlägige Erhebungen auf internationaler und lokaler Ebene (siehe rechts oben) zeichnen ein Bild eines wachsenden Problems in Klassen, auf Pausenhöfen und Schulwegen.
Nirgendwo sonst in Europa sei demnach laut OECD die Mobbingrate unter Schülern höher als in Österreich (beispielsweise sogar fünf Mal so hoch wie in Schweden). Noch dazu steigt der Anteil der jungen Opfer, während in Deutschland, Griechenland oder Italien ein gegenläufiger Trend zu beobachten war. Allein in der Steiermark, so eine AK-Studie aus dem Vorjahr, gaben knapp zwei Drittel der Schüler an, dass Mobbing in ihrer Schule oder ihrer Klasse ein Thema sei. In Vorarlberg kam es im Vorjahr sogar zur ersten Klage eines Schülers gegen seine ehemalige Schule, nachdem er jahrelang gemobbt wurde. Man einigte sich außergerichtlich.


Im Bildungsministerium hat man im vergangenen Jahr mit einem „Leitfaden für die Schulgemeinschaft im Umgang mit Mobbing“ reagiert. Die Erfahrung zeige aber, dass es kein einheitliches Vorgehen geben könne, da jeder Fall eine eigene Charakteristik habe, heißt es in der knapp 70-seitigen Broschüre.
Der Psychotherapeut und Mobbingexperte Peter Teuschel hat aber typische „Täterprofile“ ausgemacht: Er nennt sie die „Kings“ und „Queens“ einer Klasse. Sie fallen durch Intelligenz, Charisma und Machtbewusstsein auf und nützen Mobbing als Demonstration ihrer Macht. Die OECD-Studie differenziert zudem bezüglich der sozialen Herkunft. Demnach sind Kinder und Jugendliche aus ärmeren Familien häufiger Opfer. Während die Buben aus niederen sozialen Schichten vor allem körperlich attackiert werden, läuft Mobbing unter Mädchen und bei Schülern aus bessergestellten Familien subtiler über Ausgrenzung, Bloßstellung oder die Verbreitung boshafter Gerüchte oder Lügen.
Die Folgen sind aber dieselben: Was meist mit einem Abfall der Schulleistungen beginnt, führt zu Isolation, Depression, Krankheit – und im schlimmsten Fall in den Tod.