Es ist viel mehr als ein Trendwort. „Mobbing“ hat in den Köpfen von Eltern und Kindern bereits tiefe Wurzeln geschlagen. Schon bei kleinen Konflikten steht die Frage im Raum: Ist das normal unter Kindern? Wird mein Kind gemobbt? Oder mobbt es gar selbst? Viele Fragen, wenig Klarheit. Dass Kinder immer früher in die digitale Welt einsteigen, macht die Grenzziehung nicht einfacher. Cybermobbing ist das Schreckgespenst aller Eltern, die ihren Nachwuchs erstmals mit einem Handy ausstatten. Wie kann man die Kinder also schützen – vor anderen und vor sich selbst?
Ein ernstes Thema, bei dem man als Elternteil aber nicht gleich den Humor verlieren dürfe, sagt Elisabeth Eder-Janca, Medienpädagogin und Saferinternet-Expertin: „Bitte immer mitdenken: Es geht allen so. Ihr müsst nicht perfekt sein. Holt euch Information und Unterstützung!“ Und zur Einordnung in die Mobbing-Schublade schickt sie voraus: „Eine böse Nachricht ist noch kein Cybermobbing. Der Begriff wird schon sehr inflationär verwendet. Zugleich muss man das Kind aber ernst nehmen. Auch wenn uns manchmal eine Meldung auf WhatsApp lächerlich vorkommt – das Gefühl des Kindes ist wichtig.“
Wann man Hilfe holen sollte
Um selbst einmal grob zu überprüfen, ob ein Vorfall unter Cybermobbing fällt oder nicht, nennt Janca-Eder folgende, kindgerechte Definition: „Wenn du mindestens zwei Wochen lang ständig blöde, gemeine, verletzende Meldungen oder Nachrichten zu deinen Postings, Bildern oder Videos bekommst. Oder dir jemand bearbeitete Fotos oder Filme von dir schickt. Oder wenn peinliche Bilder von dir an alle geschickt oder ins Netz gestellt werden. Und wenn jemand so versucht, dich fertigzumachen – dann ist es Cybermobbing. Und dann musst du dir Hilfe holen.“ Eltern legt sie zur Vorinformation die Webseiten www.saferinternet.at und www.bupp.at ans Herz.
Entwerten mit Methode
Auch im „echten“ Leben definiert sich Mobbing über die planvolle Methode, die dahinterliegt. Der Grazer Familienpsychologe Philip Streit umschreibt Mobbing unter Kindern als „das systematische Erniedrigen, Entwürdigen und Entwerten eines Kindes, Schülers oder einer Gruppe von ein bis zwei Hauptmobbern und einer größeren Gruppe, die zuschaut.“ Das ist mehr als ein Zusammenstoß mit Klassenkameraden. Und birgt dennoch die Gefahr, von Erwachsenen übersehen zu werden. „Das Wichtigste für Eltern ist, mit dem Kind im Gespräch zu bleiben“, meint Eder-Janca, auch und gerade im Umgang mit Handy und Co., denn: „Wir lernen doch alle erst, mit digitalen Medien umzugehen.“ Diese mangelnde Medienkompetenz könne man gemeinsam mit den Kindern aufbauen: „Die Apps ausprobieren, die die Kinder lieben, und auch ganz offen Bedenken äußern, was da passieren könnte.“ Um die Grenze zum Mobbing klar zu ziehen, tauge der alte Spruch: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“ Und die Regel, dass man in diese Netzwerke nur Sachen schreiben bzw. posten soll, die man auch an einem öffentlichen Platz herzeigen oder dem anderen ins Gesicht sagen würde.
Mobbing schädigt alle
Und was, wenn Mobbing, beispielsweise in der Schule, bereits passiert ist? „Öffentlichkeit ist der Feind des Symptoms“, weiß Streit. Er hat gute Erfahrungen gemacht mit einem Schritt-für-Schritt-Programm nach dem Konzept der „Neuen Autorität“. Konkret könnte das so ablaufen: Bei aufkommenden Mobbingvorwürfen ergeht ein Lehrer-Rundmail an die Eltern mit einer Information über die Situation. „Aber immer anonymisiert, also ohne Namen von Tätern oder Opfern, um ein Klima von Anerkennung und Wertschätzung zu erhalten“, sagt Streit. In diesem Mail sollen alle Eltern um Hilfe gebeten werden für einen gemeinsamen Schulterschluss, der da lautet: „Wir wollen dieses Verhalten in der Klasse nicht.“ Mobbing schädige schließlich nicht nur den Gemobbten selbst, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl in der ganzen Klasse.
Zu wenig Anerkennung
Wird dieser Schulterschluss von Lehrern und Eltern im Rahmen eines Klassenelternabends erzielt, löst sich das Verhalten der Mobber meist in der Folge auf. „Es geht aber auch darum, nicht die Wertschätzung gegenüber den mobbenden Kindern aufzugeben. Die Haltung muss sein: Wir wollen dieses Verhalten nicht, schätzen und respektieren aber auch die Kinder, die andere mobben, als menschliche Wesen.“ Das sei schon Prävention. Denn, so Streit: „Zu Mobbern werden Kinder, wenn sie nicht genug Anerkennung bekommen und nie das Gefühl haben, etwas Außergewöhnliches leisten zu können.“ Wenn es in einer Gemeinschaft – in der Schule, im Sportverein etwa – gelingt, ein Klima zu schaffen, das auf klaren Regeln und gegenseitigem Wohlwollen basiert, können sich alle wertgeschätzt fühlen. Dann ist die Mobbinggefahr gebannt.
Für die virtuelle Welt gibt es klare Präventivmaßnahmen, wie etwa sich mit den Privatsphäre-Einstellungen auseinanderzusetzen. Und dann, sagt Eder-Janca, sollte man „dem Kind die Zeit geben, zu üben, wie die digitalen Werkzeuge sinnvoll genutzt werden können.“ Auch digitale Trittsicherheit wirkt präventiv gegen Mobbing.
Johanna Wohlfahrt