Milben leben in den Gesichtern des Menschen - allein die Vorstellung löst ein mulmiges Gefühl in der Magengegend aus. Dass die Tierchen isoliert in den Hautporen leben und sich, getrieben durch das Schlafhormon Melatonin, nächtens paaren, berichten Wiener Biologen, die eine Studie im Fachmagazin "Molecular Biology and Evolution" veröffentlichten.
"Demodex folliculorum" heißen die mikroskopisch kleinen Milben, die sich aufgrund ihrer speziellen Lebensweise in der menschlichen Gesichtshaut zu derart vereinfachten Organismen entwickelt haben, dass sie bald eins mit dem Menschen werden könnten. Das erklären die Forscher um Alejandro Manzano Marin vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaften der Universität Wien. Er hat mit einem internationalen Team das Erbgut der Tierchen sequenziert und analysiert.
Mütter übertragen Milben an Kinder
Fast jeder Mensch trägt solche Milben auf sich und ernährt sie mit seinem Talg, der von den Zellen im Gesicht und an den Brustwarzen in den Poren abgegeben wird. Dadurch müssen die Tiere im Gegensatz zu "normalen Parasiten" auch keine neuen Wirte finden. Mütter übertragen diese beim Stillen an die Kinder. "Weil dabei die Temperatur und die Feuchtigkeit erhöht sind", sagt Marin.
Nachts werden die Tiere dann aktiv, um sich zu paaren, so der Forscher. Während der Abenddämmerung schüttet die Haut des Menschen Melatonin aus, dadurch werden die wirbellosen Milben geweckt. Selbst können sie es nicht mehr produzieren, weil sie das Gen dafür ebenso verloren haben, wie jenes, das sie bei Tageslicht wecken könnte. Da die Tiere keinen UV-Schutz haben, ist letzteres von Vorteil.
Genetische Reduktion
Die Biologen erklären, dass diese "genetische Reduktion" eine Folge ihrer isolierten Existenz in den menschlichen Poren sei, wo sie keiner äußeren Bedrohung ausgesetzt sind, nicht auf andere Milben treffen, mit denen sie Gene austauschen könnten und auch nicht mit anderen Parasiten konkurrieren müssen. Dadurch entwickelten sich die Tiere zu einfachen Organismen, die unter anderem winzige Beinchen haben, die nur von drei einzelligen Muskeln bewegt werden.
Beobachtet wurde zudem, dass sich die männliche Milben aufgrund nicht verloren gegangener Milbengene bei der Paarung unter dem Weibchen positionieren und sich beide an menschlichen Härchen festhalten. Zudem haben die Tiere besonders stark hervorstehende Mundwerkzeuge, die die Nahrungsaufnahme erleichtern.
Keine Auslöser von Hautkrankheiten
Das Team um Marin konnte unterdessen auch widerlegen, dass die Milben keinen Anus besitzen und ihren Kot im Körper ansammeln, bis er beim Absterben freigesetzt wird und dadurch Hautentzündungen beim Menschen verursacht. "Die neue Studie bestätigt, dass sie doch einen After haben und daher zu Unrecht für viele Hautkrankheiten verantwortlich gemacht werden", sagen die Fachleute.
Wahrscheinlich befinden sich die Tierchen derzeit evolutionär auf dem Schritt vom Parasiten zu "harmlosen, dauerhaften Symbionten", so die Wiener Forscher. Falls die Beziehung scheitert, wäre dies für die Milbenart fatal. Der fehlende Kontakt zu anderen Milben, die ihren Nachkommen neue Gene bringen könnten, hätte die Milben in eine evolutionäre Sackgasse gebracht, an deren Ende das Aussterben droht.