Mönche sind Spezialisten im Umgang mit Abgeschiedenheit, Stille, Isolation und Zusammenleben auf engstem Raum, überspitzt formuliert sind sie Experten im Meistern der Quarantäne. Von diesem Erfahrungsschatz könnte die Menschheit in der aktuellen Krise profitieren, und keineswegs nur Christen. Ihr neues Buch ist folgerichtig eine „Gebrauchsanweisung“ für das Zusammenleben während der Pandemie. Sie empfehlen dabei die drei Regeln des heiligen Benedikt. Lassen sich die auch in die Neuzeit übersetzen?
PATER ANSELM: Benedikt nennt als ein Kriterium für die Auswahl von Novizen den Eifer zum Gottesdienst. Wer diesen Eifer hat, ist ein spiritueller Mensch, einer, der alle Dimensionen des Menschseins auslebt und seiner Sehnsucht nachspürt. Es geht dabei um die Offenheit für ein Geheimnis. Geheimnis und Heimat gehören zusammen, die Ahnung von etwas Größerem, von Transzendenz kann durchaus eine Hilfe sein, sich auch auf beengtem Raum zu Hause zu fühlen.

Regel Nummer zwei ist der Gehorsam, das klingt reichlich altmodisch und stößt die meisten wohl vor den Kopf.
PATER ANSELM: Gehorsam meint aber nicht, jeder Willkür zu folgen, sondern sich einem höheren Interesse unterzuordnen – nicht den eigenen Interessen zu folgen, sondern darauf zu achten, was Familie, Kinder oder Partner brauchen. Nur wenn wir aufeinander hören, können wir einen Weg miteinander finden. Nur wenn wir nicht ständig kritisieren, jammern und uns beklagen, handelt es sich um echten Gehorsam, mit dem wir das Leben in Gemeinschaft meistern können.

Die dritte Säule im Zusammenleben ist laut Benedikt das Ertragen von Widerwärtigem, von Widrigkeiten.
PATER ANSELM: Viele fühlen sich derzeit einfach als Opfer. Es geht aber darum, aus der Opferrolle herauszukommen. Wer sich nur als Opfer der Krise fühlt, wird unzufrieden und bitter. Vom Opfer geht letztlich eine aggressive Energie auf die anderen über. Deshalb der Rat, kreativ und aktiv darauf zu reagieren, selber das Beste daraus zu machen, sein Leben zu gestalten.

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Aktivität ist ein wichtiges Schlagwort in Ihrem Ratgeber. Trägheit ist für Mönche ein Übel. Aber wie kommt man bei Arbeitslosigkeit, schlechten Wohnverhältnissen und Ausgangsbeschränkungen wieder in die Gänge?
PATER ANSELM: Zunächst einmal geht es darum, dem Tag eine Struktur zu geben, nicht nur so dahinzuleben und leben zu lassen. Denken Sie nach, was Sie vormittags und nachmittags am besten machen könnten.

Folgt man Ihrer „Gebrauchsanweisung“, geht es auch ums Zielesetzen. Viele müssen sich von ihren bisherigen Zielen aber gerade verabschieden.
PATER ANSELM: Unsicherheit und Angst sind natürlich da. Die Angst kann auch lähmen. Man sollte allerdings abchecken, was man vielleicht trotzdem tun kann, damit es in Zukunft gut weitergeht. Sich zu überlegen, was einem die Angst sagt: Befinde ich mich da noch im richtigen Bereich oder sollte ich etwas ändern?

Rituale werden in Krisenzeiten immer wichtiger. Müssen wir sie neu erfinden?
PATER ANSELM: Es gibt verschiedene Aspekte der Rituale. Sie geben der Familie eine Struktur. Es ist zum Beispiel wichtig, wie eine Familie den Tag beginnt und wie die Rituale der Mahlzeiten aussehen. Ist das nur Sättigungszeit oder gemeinsame Zeit? Und natürlich gibt es auch persönliche Rituale, damit man nicht nur in den Tag hineinstolpert. Früher wählte man ein Morgengebet, es kann aber auch ein Segensritual sein, mit dem man die Familie segnet oder die Räume, in denen die Familie lebt. Und am Abend geht es darum, dass man sich nicht nur ärgert, dass da Konflikte entstanden sind. Den Tag kann ich zwar nicht mehr ändern, aber ich kann darauf vertrauen, dass Gott etwas doch noch in Segen verwandelt, und dann kann ich den Tag einfach loslassen und mich in der Nacht fallen lassen. Viele können ja nicht schlafen, weil sie ständig grübeln, sich vorwerfen, irgendetwas nicht getan zu haben. Das bringt nichts, der Tag ist vorbei, den kann man nicht mehr ändern.

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