Schmerzerkennung und -versorgung besonders vulnerabler Menschen - etwa Babys, Demenzkranke, Pflegebedürftige, Migranten - steht im Fokus der 18. Österreichischen Schmerzwochen. "In Österreich mangelt es immer noch massiv an spezialisierten Versorgungsstrukturen", kritisierte Gabriele Grögl-Aringer, Präsidentin der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG.

(Was bei chronischen Schmerzen zu tun ist)

Bis zu 1,8 Millionen Menschen sind in Österreich von chronischen Schmerzen betroffen. Bei 350.000 Patienten haben sich die Schmerzen sogar bereits zu einer eigenständigen, schweren Erkrankung entwickelt. Besonders verletzliche Patienten können nicht oder nur schwer auf ihre Schmerzen aufmerksam machen, ihre Beschwerden werden leicht übersehen, übergangen, falsch eingeschätzt und schließlich unzureichend therapiert.

Chronische Schmerzerkrankungen

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Menschen mit negativen Migrationserfahrungen bedürfen beispielsweise aufgrund psychischer und/oder physischer Traumatisierungen, kultureller und sprachlicher Barrieren umfassenderer Behandlungsansätze. "Es sind vor allem die vielfältigen Belastungen, die Menschen mit Migrationshintergrund zusetzen", sagte auch Wolfgang Jaksch, Anästhesist am Wilhelminenspital in Wien. "Chronische Schmerzerkrankungen nehmen bei Migranten einen ungünstigeren Verlauf als bei Einheimischen, wenn die Integration in das neue kulturelle Umfeld schlecht und der Arbeitsplatz unsicher ist, wenn der soziale Status und die Unterstützung aus dem sozialen Netzwerk zu wünschen übrig lassen und auch die Arzt-Patient-Beziehung nicht gut funktioniert." Erste Schritte zur Abhilfe wäre eine Stärkung der interkulturellen Kompetenz in Gesundheitseinrichtungen, etwa durch Schulungen und interkulturelle Teams. Professionelle, zuschaltbare Dolmetschdienste würden ebenfalls einen großen Fortschritt in der täglichen Arbeit in Schmerzambulanzen darstellen.

Keine adäquate Demenztherapie

Auch für demenzkranke und pflegebedürftige Personen gebe es laut klinischer Studien keine adäquate Schmerztherapie, meinte ÖGS-Vizepräsident Nenad Mitrovic. Ärzte und Pflegepersonal können die Schmerzen dieser Patienten schwer einschätzen, weil diese häufig nicht in der Lage sind, sich verbal zu äußern. Es gebe verschiedene Assessment-Methoden, um Schmerz auch ohne Selbsteinschätzung der Betroffenen festzustellen, diese werden in Österreich jedoch nicht flächendeckend angewandt. Hinsichtlich Schmerzerkennung und -management habe sich zwar schon einiges zum Positiven verändert, aber "es besteht sicher ein deutlicher Informationsbedarf in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen", so Mitrovic.

Die ÖSG ortete generelle Mängel sowohl an adäquater Versorgung für Patienten als auch bei der Aus- und Weiterbildung von Ärzten, wo Möglichkeiten zur Spezialisierung notwendig seien. "Es fehlt an Schmerzambulanzen für diese große Zahl an Patienten. In den vergangenen Jahren wurden in Österreich mehr als zehn Ambulanzen geschlossen, meist aus Personalmangel." Von diesen 48 Ambulanzen habe nur ein kleiner Teil täglich geöffnet, was etwa in Wien zu Wartezeiten auf einen Ersttermin von drei bis vier Monaten geführt habe. Es sei zudem wichtig, dass sich schmerzmedizinische Betreuung im niedergelassenen Bereich "in angemessener Weise in den Honorarkatalogen der Sozialversicherungen wiederfindet", meinte die ÖSG-Präsidentin.

Dringender Bedarf bestehe hierzulande vor allem an Zentren, die eine multimodale Schmerztherapie nach internationalen Standards - gute Beispiele sind Belgien und Italien - anbieten. Dort werden medikamentöse, nicht medikamentöse, edukative und psychologisch-psychotherapeutische Therapieverfahren miteinander kombiniert. Ein Zugang, der aufgrund seiner "nachweislichen Wirksamkeit" weltweit "schon vielerorts Standard" sei, sagte Grögl-Aiginger. In Österreich gibt es bisher nur ein solches Zentrum, und zwar am Klinikum Klagenfurt. "Wir müssen in Österreich also das Rad nicht neu erfinden", sondern Aktionen setzen, um den internationalen Standards zu entsprechen".