Fast könnte man meinen, die letzten Stunden der Menschheit hätten begonnen. Weltverschwörungstheoretiker beschwören seit Wochen die Apokalypse, dabei macht der Hauptdarsteller des Dramas exakt das, was er seit rund 4,5 Milliarden eigentlich immer macht: Er dreht sich um sich selbst und um die Erde.

Dass der Mond jedoch in der Nacht auf Montag ab vier Uhr morgens in den Kernschatten der Erde tritt, jagt den passionierten Schwarzsehern einen wohligen Schauer über den Rücken und sie sehen rot, denn der Mond erscheint – wie bei jeder Mondfinsternis üblich – rötlich gefärbt. Neu ist das Phänomen nicht, auch nicht die landläufige Bezeichnung dafür: Blutmond. Ein mehr als passables Wort, um dem Weltuntergang die sprachliche Rutsche zu bauen. Wenn die aktuelle Mondfinsternis auch noch die vierte totale Mondfinsternis innerhalb von zwei Jahren ist und der Mond der Erde besonders nah kommt, ergibt das am Ende der apokalyptischen Wahrscheinlichkeitsrechnung eine Super-Blutvollmond-Finsternis. Ein Hoch auf den Adrenalinspiegel.

Ein magischer Schleier

Dabei ist der Mond auch abseits aller Hysterie seit jeher Faszinosum und Inspiration, auch wenn ihn Buzz Aldrin – neben Neil Armstrong die Nummer 2 auf dem Mond – gern als „prachtvolle Trostlosigkeit“ bezeichnet. Vielleicht ist es gerade diese fehlende Schönheit, an deren Stelle eine besondere Aura tritt, wenn die alles überstrahlende, alles ausleuchtende Sonne die Bühne verlässt. Dann überzieht der Mond die Welt mit einem magischen Schleier. Schmückt Landschaften mit Unschärfen und zaubert dunkle Schattenwelten. Diese Untiefen begeisterte nicht zuletzt die Kunstwelt quer durch alle Epochen: von Caspar David Friedrich über René Magritte und von Jules Verne bis Tim und Struppi.

Astronom, Blogger und Buchautor: Florian Freistetter
Astronom, Blogger und Buchautor: Florian Freistetter © CC-BY-SA 3.0/Simon Kumm/Susanne Schlie

Auch wenn der Erdtrabant in den letzten Jahren vom Mars als neues Wunschziel gern in den Schatten gestellt wird, so haben wir mit insgesamt sechs bemannten Mondlandungen unser wissenschaftliches Soll noch längst nicht erfüllt, wie der österreichische Astronom Florian Freistetter die bisherigen Mondmissionen ins rechte Mondlicht rückt: „Stellen Sie sich vor, wir würden die Erde erforschen wollen und schicken zwölf Menschen hin, die drei Stunden an einem Punkt im Umkreis von 50 Metern herumlaufen. Und anhand dieser kurzen Expedition sollen wir jetzt verstehen, wie die Erde funktioniert?“ Der Mond, immer noch eine Terra incognita, ein unbekanntes Land. Aber nicht mehr lange – das große Ziel der meisten Raumfahrtagenturen ist eine bemannte Raumstation. Zu tun gibt es auf dem Mond genug, wie Freistetter aufzählt: Die Suche nach Rohstoffen wie Helium 3, das als Energielieferant der Zukunft gilt. Die Betreibung von Radioastronomie auf der Mondrückseite, nicht zuletzt die Antwort auf die Frage, wie viel Wasser noch gefroren im Mondgestein enthalten ist. Auch für weitere Weltraummissionen empfiehlt sich der Erdtrabant als idealer Ausgangspunkt.

Doch der Mond ist für den Menschen noch wichtiger, als wir glauben. Er ist der Hüter unseres Klimas, ohne ihn wäre unsere Welt zutiefst lebensfeindlich, wie Astronom Freistetter erklärt: „Unsere Jahreszeiten gibt es nur deshalb, weil die Erdachse um 23,5 Grad auf der Senkrechten geneigt ist. Dass sich das nicht ändert, liegt am Mond, er hält die Erdachse mit seiner Gravitationskraft fest. Hätten wir keinen Mond, würde die Erdachse über geologische Zeiträume hinweg stark schwanken und es gäbe kein stabiles Klima auf der Erde.“ Nicht zu vergessen die Gezeiten, die bereits bei der Entstehung des Lebens eine wichtige Rolle gespielt haben. Auch ist der Erdtrabant für viele Tiere wichtige Lichtquelle und Zeitgeber. Nur beim beliebten Mondkalender winkt Freistetter ab: „Fürs Haareschneiden, Blumenpflanzen oder Kinderkriegen ist der Mond vollkommen egal.“

Mein Mond, dein Mond


Während die beliebten „Schenken Sie ein Grundstück auf dem Mond“-Urkunden das Papier nicht wert sind, schaut es bei den Mondmeteoriten ganz anders aus: Sie sind ein höchst lukratives Geschäft, wie Franz Brandstätter, Kurator der Meteoritensammlung im Naturhistorischen Museum in Wien, erzählt: „Vor rund 30 Jahren war ein Großteil der verfügbaren Meteoriten Teil von Museumssammlungen und Forschungsinstituten, es gab fast keine Meteoriten am freien Markt. Das hat sich geändert, seit man erkannt hat, dass man speziell in den heißen Wüsten, wie etwa der Sahara, gezielt Meteoriten suchen kann.“

Erst im Vorjahr wollte das Museum den in Marokko gefunden Mondmeteoriten „Oued Awlitis 001“ durch Crowdfunding ankaufen – Kostenpunkt des 400 Gramm schweren Stücks: 110.000 Euro. Die Summe kam nicht zustande, der Meteorit wurde anderweitig verkauft. An Käufern mangelt es nicht, immer öfter werden sie sogar als Wertanlage von Privaten gekauft. Wer jetzt unter die Meteoritenjäger gehen möchte, braucht jedoch das nötige Wissen und die entsprechende Ausrüstung. Eine Alternative stellt Astronom Freistetter in Aussicht: „Man wartet einfach, bis einem der Meteorit vor die Füße fällt“ – der Lichtblick währt nur kurz, sein Nachsatz: „Aber das ist leider extrem unwahrscheinlich.“ Es ist zum (Mond-An-)Heulen.