Nichts gegen das Wiener Schnitzel. Man kann ja nicht anders, als es zu mögen. Die knusprige Panier, in ordentlich Butterschmalz herausgebraten. Das milde, strahlend weiße Kalbfleisch, das saftig im Mund zergeht. Ja, das kann einfach was, dieses sakrosankte Heiligtum der österreichischen Küche. Vor allem, weil man es nicht alle Tage isst. Wer mach sich schon zu Hause, nach einem anstrengenden Arbeitstag, zu Hause rasch ein Kalbsschnitzi? Eben. Für ein echtes Wiener Schnitzel geht man also ins Restaurant.

Und genau das ist das Problem. „Die meisten Wiener Schnitzel, die in Österreichs Gastronomie angeboten werden, sind nicht aus österreichischem Kalbfleisch“, sagt einer, der genau weiß, wovon er spricht: Hannes Hönegger kämpft seit Jahren darum, dass Österreichs Köche und Gastronomen auf österreichisches Bio-Kalbfleisch setzen. Mit seinem Unternehmen „Hannes Hönegger – finest selection“ beliefert er zwar immer mehr Betriebe mit österreichischem Bio-Kalb, darunter 14 Sternerestaurants im gesamten deutschsprachigen Raum. Aber Fakt ist: Viel zu viele Restaurants hierzulande setzen, vor allem wenn es um das Wiener Schnitzel geht, auf zweifelhaftes Kalbfleisch aus dem Ausland – und das heißt in den meisten Fällen: aus Holland. Warum? Das hat viele Gründe. Und um es vorwegzunehmen: Keiner davon ist moralisch vertretbar – weder für Hannes Hönegger, noch für die zunehmende Zahl an Gästen, die wissen wollen, woher ihr Fleisch kommt.

Geht es nach Hönegger, muss ein Wiener Schnitzel vom österreichischen Kalb mindestens 25 Euro kosten
Geht es nach Hönegger, muss ein Wiener Schnitzel vom österreichischen Kalb mindestens 25 Euro kosten © from_my_point_of_view@yahoo.com

Der helle Wahnsinn

Natürlich: Dass Kalbfleisch hierzulande meist aus dem Ausland kommt, ist – wenig verwunderlich – eine Frage des Geldes. Kurz: Man bekommt als Gastronom einfach mehr Kalbfleisch für sein Geld, als wenn es aus Österreich käme. „Das liegt zum einen daran, dass laut EU-Gesetz ein Kalb bis zu acht Monate alt sein darf, bis es geschlachtet wird“, erklärt Hönegger. „In Holland wird das so gemacht. In Österreich hingegen werden Kälber in der Regel viel früher geschlachtet, nämlich mit gerade einmal vier Monaten. Für den heimischen Markt ist das ein wesentlicher Wettbewerbsnachteil. Denn während ein Kalbskaiserteil – aus dem das Schnitzel oft gemacht wird – aus Holland zwischen dreieinhalb und vier Kilogramm wiegt, ist es bei dem aus Österreich gerade mal die Hälfte. Da sagt jeder Koch: ‚Was soll ich mit diesen kleinen Dingern?“

Doch das viele Fleisch um das wenige Geld hat seinen Preis. Denn: Was in der holländischen Kälbermast gang und gäbe ist, ist in Österreich nicht einmal erlaubt. Nämlich: Kälber bewusst so zu halten, dass sie zu wenig Nährstoffe – vor allem Eisen – zu sich nehmen. Der Grund dafür: Ihr Fleisch soll möglichst hell bleiben. Je weniger Eisen und andere hochwertige, artgerechte Nährstoffe sie zu sich nehmen, desto heller bleibt das Fleisch. Und je heller das Fleisch ist, desto lieber bereiten es viele Köche zu, weil die weiße Farbe und der milde Geschmack für viele Gäste mit einem jungen Milchkalb in Verbindung gebracht wird.

Wie sehr es sich dabei jedoch um ein nährstoffarmes Tierqualprodukt handelt, verdeutlicht Hönegger folgendermaßen: „In Wahrheit bekommen sie in Ländern wie Holland hauptsächlich Elektrolyte-Mischungen, werden im Dunkeln eingesperrt, haben auch einen absichtlich herbeigeführten Vitamin-Mangel, um nur ein paar Punkte zu nennen“, so Hönegger. „Nur dadurch kann das Fleisch eines achtmonatigen Kalbs so hell sein. Ein achtmonatiges Kalb in Österreich hingegen gilt bereits als Jungrind. Sein Fleisch ist rot. Weil es nämlich artgerecht und mit nährstoffreichem – also auch eisenhaltigem – Raufaserfutter wie Stroh, Gras oder Heu gefüttert werden muss, Sonnenlicht sieht und nicht absichtlich unterentwickelt ist.“ All das ist bekannt und auch für viele Köche und Gastronomen kein Geheimnis. Reichen diese skandalösen Missstände nicht aus, um ein Umdenken in Österreichs Gastronomie herbeizuführen?

Knapp jedes dritte Kalb, das in Österreich konsumiert wird, wurde in den Niederlanden gemästet und geschlachtet.
Knapp jedes dritte Kalb, das in Österreich konsumiert wird, wurde in den Niederlanden gemästet und geschlachtet. © Sergii Sverdelov

Was ein Wiener Schnitzel kosten sollte

Hannes Hönegger seufzt. „Das mittlere Preissegment ist der Killer“, sagt er. „Im unteren Preissegment gibt es ja sowieso kein Schnitzel vom Kalb, sondern vom Schwein. Aber das klassische Dorfgasthaus, das ein Wiener Schnitzel zum Schleuderpreis anbietet, bezieht sein Kalbfleisch in der Regel aus Holland oder anderen Ländern, in denen die Kälber gequält werden“, sagt er – und überrascht mit folgender Aussage: „Wo am meisten passiert, ist in der Spitzengastronomie. Weil dort Köche oft ein ganzes Kalb bestellen und qualifizierte Mitarbeiter haben, die wissen, wie man ein ganzes Tier verwertet. Das ist in vielen Betrieben im mittleren Segment in Zeiten des Fachkräftemangels anders: Da wissen die Köche oft nicht, dass man neben dem Kaiserteil auch aus anderen Kalbsteilen wirklich gute Schnitzel gewinnen kann, wie etwa aus der Schale, dem Frikandeau oder der Nuss. Dabei kostet die Nuss in Bio-Qualität nur halb so viel wie der Rücken!“

Für den Kälber-Kämpfer steht daher fest: Österreichs Gastronomie wäre durchaus in der Lage, sich selbst mit heimischem Kalbfleisch zu versorgen – wenn nicht nur der Rücken und das Kaiserteil für den Schnitzelfetisch der Gäste verwendet würde. Und was darf und soll das dann eigentlich kosten, so ein Wiener Schnitzel vom österreichischen Kalb? „Alles unter 25 Euro geht sich nicht aus“, antwortet Hönegger ganz klar. Ob das zu teuer ist, das entscheiden letztlich natürlich die Gäste. Nur: Um das herauszufinden, müssten es endlich mehr Köche und Gastronomen anbieten. Ein Versuch wär’s wert.