„Oh mein Gott, das ist mein Hobby von früher!“ Das ging Milena Spiegel vor gut acht Jahren durch den Kopf, als sie beim Surfen durch das Internet plötzlich auf einen finnischen Beitrag über das Hobbyhorsing stolperte. Die Sportart erlebte damals in Finnland durch den Dokumentarfilm „Hobbyhorse Revolution“ einen Boom. Heute ist Hobbyhorsing in dem Land im hohen Norden immer noch ein angesagter Trendsport – nationale Meisterschaften inklusive. Acht Jahre alt war Milena Spiegel, als ihre Großmutter ihr das allererste Steckenpferd schenkte. „In den nächsten zehn Jahren habe ich zu Hause quasi Hobbyhorsing gemacht, im Garten mit Nachbarn Turniere veranstaltet. Es gab noch kein Internet, über das man Gleichgesinnte einfach finden konnte“, erzählt die 34-Jährige.

Eng vernetzte Underground-Szene

Heute ist die Szene beachtlich gewachsen. Für viele ist Hobbyhorsing trotzdem immer noch ein blinder Fleck. Große öffentliche Turniere gibt es nur wenige. „Es ist eine sehr eng vernetzte Underground-Szene. Wenn man gar nichts damit zu tun hat, ist es schwer etwas darüber zu finden.“ Kommuniziert wird hauptsächlich in Chat-Guppen. Also, worüber reden wir hier eigentlich? „Im Prinzip ist es Reiten ohne Pferd. Wir machen alle Beinbewegungen, die es im Reitsport gibt, mit zwei Beinen nach – Hindernisspringen, Western, Distanzreiten, Geländespringen, Dressur ...“ Trotzdem sei es vom sportlichen Aspekt gesehen eher Leichtathletik inspiriert vom Reitsport. Bis zu einem Meter hohe Sprünge, flinke Beinbewegungen, und ausgeklügelte Parcours – je nach Disziplin ändern sich auch die Anforderungen an die Athletinnen und Athleten. „Beim Springen ist ein Meter oft die magische Grenze und das Ziel vieler Sportlerinnen“, verrät Milena Spiegel, die selbst in der Sportart trainiert. Dabei sollte das Ganze auch noch mühelos und elegant ausschauen. Dahinter steckt viel harte Arbeit. „An allererster Stelle steht die Kondition, weil das brutal anstrengend ist. Das zweite Wesentliche ist die Koordination, weil man ganz spezielle Beinbewegungen hat, die man erst erlernen muss.“ Gelaufen wird nämlich ausschließlich auf Zehenspitzen. „Man geht bei jedem Schritt so, als würde man über einen Ball steigen, der am Boden liegt. Die Fußspitze wird dabei immer nach vorne strecken“, erklärt die gelernte Grafikdesignerin.

Steckenpferde in Handarbeit

So unterschiedlich wie die einzelnen Disziplinen sind auch die dazugehörigen Steckenpferde. Seit sechs Jahren hat sich Milena Spiegel dem ungewöhnlichen Handwerk verschrieben. „Zuerst wird der Kopf des Pferdes nach einem selbst entworfenen Schnittmuster genäht und mit Füllwatte gestopft. Da ein Hobbyhorse gut ausbalanciert und widerstandsfähig sein muss, ist es fester gestopft als normale Plüschtiere und auch um einiges härter und schwerer.“ Damit die Steckenpferde realistischer aussehen, kommen Nüstern und Mähnen dazu. Die Länge des dazugehörigen Stockes hängt stark von der Disziplin ab, da kürzere Stöcke fürs Springen praktischer sind. Wichtig dabei, der Stock muss immer zwischen den Beinen bleiben. Hobbyhorses für das Springen seien etwa eher mehr nach vorne und weniger nach unten gebeugt. Rund zehn Stunden Arbeit stecken in einem einzigen Exemplar. Sind besonders auffällige Bemalungen – wie beim Schimmel – gewünscht, dauert die Anfertigung sogar bis zu 20 Stunden.

Die edlen Rösser von „Mimis Ponyhof“

Sarah Knipp (17) betreibt seit sechs Jahren Hobbyhorsing
Sarah Knipp (17) betreibt seit sechs Jahren Hobbyhorsing © privat