Elfi, 24, fühlt sich wie ein Schlauchboot, das immer wieder aufreißt. Sie leidet an einem Pilz, einem der unangenehmen Sorte. Philipp, 7, schwänzt regelmäßig den Unterricht. Seine Mama entschuldigt ihn mit der Ausrede, er habe schon wieder Bauchweh. Mila, 19, ist krank vor Langweile. Es ist ein Kontrapunkt zur amerikanisch inflationären Standard-Antwort: „I’m fine.“

Denn: Wirklich pumperlg’sund fühlt sich niemand der 100 Grazerinnen und Grazer, deren Lebens- und Leidensgeschichten das „Theater im Bahnhof“ (TiB) auf der Bühne des Grazer Volkstheaters erzählt. „Die gekränkte“ Gesellschaft seziert Wehwehchen, macht das kollektive Leid anhand einzelner Biografien fest: von Mundgeruch bis Multiple Sklerose, Hämorrhoiden bis Humane Papillomviren, Unlustigkeit bis Uveitis (Entzündung der Augäpfel).

Allgemeine Angeschlagenheit

Und weil die Gesellschaft als Ganzes, so die Hypothese von Regisseurin Monika Klengel, angeschlagen, überstrapaziert oder gekränkt vor sich hinsiecht, wird das Publikum (mit all dem eigenen Leid) mitten ins Stück gepflanzt; jeder Zuseher auf einen der 100 Hocker, Klappsessel, Holzstühle, Polstermöbel, Bänke verwiesen. Ein Wimmelstück, ein statistisch ungefähres Wimmelbild über Grazer Verhältnisse. Alle leiden: Alte, Junge, Reiche, Arme, Erfüllte, Unbefriedigte, Schöne, Schiache, einige mit, manche ohne Migrationshintergrund – und die Performer Jacob Banigan, Juliette Eröd Veza Maria Fernandez Wenger, Eva Hofer, Elisabeth Holzmeister und Rupert Lehofer sowieso.

Zur Ironie verpflichtet

Keine Frage, im Geschichtenerzählen sind sie alle Großmeister. Ausholend, zur Ironie verpflichtet, selbstreflexiv stichelnd. Man hört ihnen gerne zu, beobachtet dazu die auf Leinwand projizierte Live-Skizze von Helene Thümmel.

Aber: Das chronische Leiden mit System lähmt mitunter ein bisschen. Weil eine Anzeige in roten Ziffern von 0 auf 100 zählt, ahnt man ab Nummer 37, dass es noch dauert: zum Ende des Leidensweges nach gut zwei Stunden. Denn, wie man lernt, heilt die Zeit nicht alle Wunden.