Nach mehrjähriger Abwesenheit wird Ahmad von seiner Ehefrau Marie nach Paris zurückbeordert. Zweck seines Besuchs ist eine einvernehmliche Scheidung, die endlich vollzogen werden soll, damit Marie ihren Freund Samir heiraten kann. Maries älteste Tochter Lucie stellt sich mit der ganzen aufbegehrerischen Kraft eines Teenagers gegen die neue Verbindung, auch Samirs Söhnchen Fouad hat sich in sein neues Familienleben noch nicht ganz eingefunden. Der Kleine hat den Selbstmordversuch seiner Mutter miterlebt, die seither im Krankenhaus im Koma liegt. Ahmads Ankunft bringt Bewegung in die verfahrene Familiensituation, alte Konflikte brechen auf, Schuld und Verantwortung müssen neu verhandelt werden.

„Le Passé“, das Vergangene, heißt das Stück nach dem gleichnamigen Film von Asghar Farhadi, der 2013 mit dem Preis der ökumenischen Jury in Cannes ausgezeichnet wurde und im Jahr darauf für einen Golden Globe nominiert war.

Susanne Felicitas Wolf hat die Motive des Films in ein Stück gleichen Titels transponiert, das Donnerstag Abend auf der Hauptbühne des Grazer Schauspielhauses uraufgeführt wurde.

Regisseur Patrick Schlösser verantwortet in unpittoresker Vorstadtatmosphäre zwischen Kleiderreinigung und renovierungsbedürftiger Wohnung (Bühne: Etienne Pluss) eine exquisite Ensembleleistung, angeführt von den drei weiblichen Hauptfiguren Marie (Birgit Stöger), Lucie (Seyneb Saleh) und Celine (Steffi Krautz) - deren gespenstergleiche Präsenz bringt die Handlung immer wieder zum Stocken: Als Komapatientin, die im roten Kleid über die Bühne stöckelt, personifiziert sie all das nicht zu Ende gedachte, nicht zu Ende gebrachte, das die Figuren in „Le Passé“ zu Boden drückt. Marco Albrecht muss als Ahmad die Fronten dieser unübersichtlichen Patchworkschlacht in Bewegung bringen, er meistert die Aufgabe in schöner Zurückhaltung, Kaspar Locher zeigt als Samir die Kraftanstrengung mühsam bewahrter Contenance.

Mit quasi beiläufigen Drehs, die die Erzählung fast ins Kriminalistische wenden, dirigiert Schlösser geschickt die Aufmerksamkeit des Publikums und schafft es so, die großen Gefühle des Kinos in dieser Bühnenfassung zu konservieren – auch wenn Farhadis eindringliche Filmbilder doch etliche Szenen überlagern.

UTE BAUMHACKL

Nächste Vorstellungen: 14., 27. Februar, 5., 11., 27. März. Karten: Tel. (0316) 8000,
www.schauspielhaus-graz.at