Mit bebendem Herzen verfolgte Franz Liszt den Triumph und die Tragödie Ungarns: Am 15. März 1848 feierten die Liberalen des Landes die Bildung einer freien Regierung, am 6. Oktober 1849 verbluteten die Befehlshaber der Armee und ihr Premierminister Batthyány im Kugelhagel der Österreicher. Liszt sandte den Nationalhelden die Trauerklänge seiner „Funérailles“ nach und feierte ihren Mut – ebenso wie Chopin die Helden des polnischen Aufstands. Klavierstürme zum Freiheitskampf, wie geschaffen für Bernd Glemser, der morgen (27. Juni) wieder bei der styriarte gastiert.

Sie spielen generell mit Vorliebe technisch höchst anspruchsvolle Klavierliteratur. Haben Sie keine Sorge, als Nur-Virtuose abgestempelt zu werden?

GLEMSER: Eigentlich nicht, denn wenn ich zum Beispiel Liszt spiele, geht es mir nicht darum, zu zeigen, wie wahnsinnig schwer diese Stücke sind, sondern dass das wirklich wertvolle Musik ist. Das Vorurteil, Liszts Musik sei vordergründig, stimmt nicht. Sie ist hochinteressant und zum Teil experimentell - und vor allem wahnsinnig gut komponiert und extrem vielschichtig.

Sie haben nicht weniger als 17 Klavierwettbewerbe gewonnen. Haben diese Siege Ihrer Karriere entscheidend genützt?

GLEMSER: Jein. Lieber hätte ich nur an einem Wettbewerb teilgenommen, oder an gar keinem. Aber ich musste mir einen Namen machen, um Konzertengagements zu bekommen, und das ist nach den ersten 16 Preisen nur bedingt gelungen. Erst nach dem ARD-Wettbewerb in München ging es ein bisschen besser los.

Empfehlen Sie Ihren Studenten, an Wettbewerben teilzunehmen?

GLEMSER: Das ist ein sehr schwieriges Kapitel. Ich empfehle es ihnen schon, aber mit einem schlechten Gewissen, weil bei Wettbewerben immer viel passiert, was einem ungereimt vorkommt. Seit ich selbst in einer Jury gesessen bin, weiß ich, dass da manchmal absichtlich seltsame Sachen passieren. Aber im Verhältnis zu dem, was sonst an "Korruption" am Musikmarkt stattfindet, ist ein Wettbewerb immer noch gerechter. Bei Wettbewerben entscheiden doch Leute mit mehr Kompetenz darüber, wer nach oben kommt.

1989 wurden Sie als jüngster Klavierprofessor Deutschlands an die Musikhochschule Saarbrücken berufen. Waren Sie mit 27, noch selbst Student in Freiburg, schon ein guter Lehrer?

GLEMSER: Mit Sicherheit weiß ich heute mehr als damals. Aber ich bin kein rein intuitiver Mensch, sondern mache mir auch Gedanken über die Sachen, und das war damals schon so. Ich glaube deshalb, dass die Studenten damals etwas lernen konnten und durchaus der Meinung sind, dass ich ein guter Lehrer war. Aber heute weiß ich natürlich besser, wie man was wo anpacken muss.

Was zeichnet einen guten Klavierlehrer aus?

GLEMSER: Es ist ganz entscheidend, dass man versucht, auf den Studenten einzugehen, auf seine Wünsche, Vorstellungen und Gefühle. Man muss seine Persönlichkeit stärken. Andererseits ist entscheidend, dass man den Studenten eine gewisse Demut beibringt, dass man ihnen sagt, dass es nicht um einen selbst geht, sondern hauptsächlich darum, was die Musik verlangt. Es geht darum, dem Komponisten und dem Werk zu dienen, und nicht eine Glemser-Sonate, sondern eine Beethoven-Sonate zu spielen.

INTERVIEW: ERNST NAREDI-RAINER