Wer als österreichischer Rapper die nächste Erfolgsstufe erklimmen will, dem wird geraten, sich international umzusehen. Bei den namhaften Plattenlabeln in Deutschland läge das ganz große Geld vergraben. „Cash rules everything around me“, haben einst schon die wegweisenden Hip-Hopper vom Wu Tang Clan richtig festgestellt. Wo Gewinnmaximierung das Ziel, da natürlich auch viel Druck im Spiel. Ein Druck, dem Jugo Ürdens nicht standhalten konnte. Für den gebürtigen Nordmazedonier, der eigentlich Aleksandar Simonovski heißt, war der Griff nach den Sternen ein herber Rückschlag. Einer von vielen. Depressionen, Griff zur Flasche („Ich brauch Benzin“), verflossene Freundschaften, finanzielle Nöte: darüber wird auf dem frisch erschienenen Album „Hund“ selbstsicher wie selbstkritisch gerappt. „Ein Großkonzern hat einen Teil von meiner Seele aufgekauft“, zieht er im ersten Track „Romulu“ unerschrocken Bilanz. Untermalt wird der Seelenstriptease von Einflüssen aus unterschiedlichen Richtungen. Trap-Beats, Elektronisches, gelegentlich sogar ein sanfter Hauch von Rock – musikalisch will man sich auf keinen Stil festlegen. Nach dem gescheiterten Neustart in Berlin, kurzzeitig nannte man sich schlicht YUGO, besinnt sich der Mann mit glanzpolierter Glatze textlich zurück auf das, was er am besten kann. Wahrhaftige Geschichten aus dem Leben erzählen, Geständnisse über die eigene Patschertheit und: nicht zu vergessen, wo man herkommt.
In Ottakring, da fühlt sich Jugo Ürdens zu Hause. Mit sieben Jahren mit den Eltern von Skopje in den 16. Wiener Bezirk ausgewandert, hat er dort die Glanzstunden seiner Adoleszenz erlebt. In einer Altbauwohnung direkt neben der Mannerfabrik. Bevor man sich mit der Musik über Wasser halten konnte, schlug der gewiefte Wortjongleur jedoch einen Weg ein, der in der Rapszene weiterhin als ungewöhnlich gilt: den akademischen. Er begann ein Studium an der WU, das später zugunsten seiner Kunst abgebrochen wurde „Ich komm‘ im Brudi-Hoodie auf die Wirtschaftsuni“, hieß es 2016 in „Österreicher“, einem der Debüttracks des einstmaligen Kettenrauchers. Widersprüchlichkeiten zeichnen seither die Karriere aus. Mit dem klassischen Image des Gangsterrappers kann er sich nicht anfreunden. Coca Cola statt Kokain, wenige Kraftausdrücke, unterwegs irgendwo „zwischen Shishabars und Flex-Café“. Belehrende Bobo-Attitüde gibt‘s aber keine. Schubladendenken will man vermeiden, sich stets neu erfinden, alles Mögliche ausprobieren. Mal das Modeln, mal die Schauspielerei: kürzlich mimte der Sprachakrobat ein Mordopfer im „Tatort“. Am wichtigsten scheint ihm mittlerweile jedoch die Authentizität. Nicht länger möchte er sich verbiegen, um anderen zu gefallen, irgendwelchen Schablonen entsprechen müssen. Jugo Ürdens ist eben Poet – und Prolet. Oder aber, wie er sich auf seinem neuesten Album witzelnd selbst nennt: „ein echter Wiener mit Jugo-Pass und Dauervisa“.
Albumtipp. Jugo Ürdens. Hund. Sony Music
Christian Pogatetz