Wenn in der Buchhandlung Ihres Vertrauens plötzlich alles sehr pastellfarbig ist, die Bücher mit Krönchen, Rosen oder üppigen Ornamenten verziert sind und die Menschen, die Ihnen begegnen, relativ jung, dann sind Sie vermutlich in der „New Adult“-Abteilung gelandet. Neue Erwachsene?
Weil der Buchmarkt nachhaltig schwächelt, sind die Verlage bereits seit längerem auf der Suche nach neuen Erwerbsquellen und dabei auf eine wahre Goldader gestoßen. Das Genre „New Adult“ – beschleunigt durch BookTok und andere Influencer-Plattformen – boomt regelrecht und wendet sich an ein Lesepublikum zwischen 18 und ungefähr 30 Jahren. Oft sind die Geschichten im College- und Universitätsmilieu angesiedelt, es geht um Themen wie Freundschaft, Familie, Selbstfindung, Liebe und natürlich Sex. Subgenres sind „Fantasy“, „Romance“ oder „Dark Romance“. Letzteres ist allerdings nichts für Zartbesaitete, geht es doch oft um explizite Gewalt, Stalking oder Gewaltfantasien. Die „New Adult“-Marketingmaschinerie richtet sich übrigens hauptsächlich an ein weibliches Publikum.
Traditionelle Rollenbilder und Mainstream
Ela Bloom, sie möchte auch hier bei ihrem Pseudonym bleiben, lebt in Graz und hat bereits vier Bücher geschrieben, die dem „New Adult“-Bereich, Abteilung Fantasy, zuzuordnen sind, obwohl die Grenzen oft verschwimmen. Während sich ein Großteil der Bücher in diesem Genre mit recht stereotypen Mädchen-Burschen-Konstellationen begnügt, legt Bloom ihren Fokus auf homosexuelle Männer. „Ich finde es wichtig, dass bei diesen Büchern verschiedene sexuelle Identitäten verhandelt werden, zumal in den meisten Fällen die Rollenbilder sehr traditionell sind und die Narrative sehr simpel.“ Diese Queerness werde sich im „New Adult“-Bereich aber eher nicht durchsetzen, so Bloom. „Die Verlage wollen keine Nischen, sondern im Mainstream bleiben, dort ist es natürlich finanziell am interessantesten.“ Apropos Monetarisierung: Dass viele dieser Werke auch in einer „Special Edition“ publiziert werden, hat einen guten Grund. Die Bücher werden nämlich oft zwei Mal gekauft. Einmal zum (Zer-)Lesen, die schöne Edition kommt als Deko ins Bücherregal.
Ela Bloom steht dem Genre, in dem sie selbst tätig ist, recht kritisch gegenüber. Vor allem die „Dark Romance“-Schiene sei problematisch, weil dort toxische Verhaltensmuster verherrlicht werden. „Da spielt sich viel im moralischen Graubereich ab, um es vorsichtig auszudrücken.“ Sex sei zwar fixer und wichtiger Bestandteil der „New Adult“-Publikationen, die „Dunkle Romantik“ jedoch „sehr explizit und brutal“. Und was die Verbreitung aller Bücher betrifft, meint Bloom: „Ganz einfach: Was Influencer in die Kamera halten, wird entsprechend gekauft.“ Ein Superstar in der Lesewelt der „Neuen Erwachsenen“ ist übrigens die deutsche Autorin Mona Kasten. Ihre Romane „Save Me“ und „Save You“ sind Bestseller, die ebenfalls höchst erfolgreiche Serie „Maxton Hall“ auf Prime Video beruht auf ihren Büchern.
Die Qualität steht auf einem anderen Blatt
Der „New Adult“-Boom nahm ausgehend von Deutschland ab 2016 so richtig an Fahrt auf, als der Verlag Bastei Lübbe das LYX-Label übernahm, das heute führend in diesem Bereich ist. Die Bücher werden häufig als Reihen veröffentlicht, meistens sind es drei Bände. Zwar kann man jeden davon einzeln lesen, es gibt jedoch eine „empfohlene Reihenfolge“. Die Protagonistinnen und Protagonisten der Bücher sind meist im gleichen Alter wie die Käuferschicht. Das erzeugt Bindung, diese wiederum schlägt sich im Kaufverhalten nieder. Ein einträglicher Kreislauf. Dass die Qualität der Literatur, die hier in Umlauf gebracht wird, meist sehr zu wünschen übrig lässt, steht auf einem anderen Blatt.
„Nicht glücklich mit diesem Genre“ ist Franz Lettner vom Institut für Kinder- und Jugendliteratur in Wien. Andererseits sei es ein Genre wie jedes andere auch – „mit guten und weniger guten Autorinnen und Autoren“. Und weiter: „Sich diesem Phänomen mit literaturkritischen Maßstäben anzunähern, ist sicher die falsche Herangehensweise.“ Grundsätzlich sei es gut, wenn auch unter Jugendlichen über Literatur gesprochen wird.“ Und was das Leseverhalten dieser Altersgruppe betrifft, meint Lettner: „Tatsache ist, dass Nichtleser in ihrer Lesekompetenz immer weiter zurückfallen. Aber das ist kein Literaturproblem, sondern ein Bildungsproblem.“
Um möglichst entspannt, aber auch hochkompetent mit dem Thema „New Adult“ umzugehen, hat Lettner eine ausgewiesene Expertin als Kolumnistin für das Instituts-Magazin gewinnen können. Christine Lötscher ist Professorin für Populäre Literaturen und Medien mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendmedien am Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft der Universität Zürich. In ihrer Kolumne „Enemies to Friends“ (nachzulesen auf www.101buch.at) wehrt sie sich gegen eine allzu elitäre Betrachtungsweise. „Der Tenor der Feuilletons lautet, es sei zwar schön, dass die jungen Leute wieder lesen, nur leider seien New-Adult-Romane doch eher trivial und einfach nicht zu gut geschrieben. Das Publikum wird nicht als heterogene Gruppe von Leser:innen behandelt, sondern wie eine homogene Horde kreischender Fangirls.“ Ein Verdienst dieser Bücher laut Lötscher: „Sind sind explizit aus Klischees gemacht, wagen sich aber mutig in die Schlangengrube der sogenannten Culture Wars.“
New-Adult-Bücher