Den ersten Kampf verliert sie auf der Waage: Leila Hosseini (Arienne Mandi) ist zu schwer, um an den Judo-Weltmeisterschaften in der georgischen Hauptstadt Tiflis teilzunehmen. 20 Minuten und ein exzessiver Kraftakt auf dem Rad später, zeigt die Waage 59,8 Kilogramm an. Leila jubelt. Das ist erst der Anfang. Mit Bravour gewinnt die junge, ehrgeizige Judoka ihre ersten Kämpfe.

Doch dann wartet ein Kampf auf die Sportlerin, den sie weder mit Ausdauer noch mit Technik für sich entscheiden kann. Denn plötzlich schummelt sich die Weltpolitik als ultimative Kontrollinstanz auf die titelgebende Tatami-Matte. Und das Mantra von Leilas Trainerin Maryam Ghanbari (Zar Amir Ebrahimi) – „Du hast alles unter Kontrolle! – hat keinen Wert mehr.

Das iranische Regime übt Druck auf den iranischen Judoverband mitsamt Leilas Trainerin aus. Die Aufforderung: Leila soll aus dem Kampf ausscheiden oder eine Verletzung vortäuschen. Hauptsache, sie hört sofort auf. Denn unter der Konkurrenz ist eine starke Kämpferin aus Israel, der Wettbewerb könnte auf ein Duell der Sportlerinnen aus dem Iran sowie aus Israel hinauslaufen. Es wäre ein Kampf zweier verfeindeter Nationen. Man stelle sich vor, der Erzfeind besiege die eigene Athletin. Unvorstellbar!

Die Repressalien werden stärker und betreffen auch Leilas Umfeld. Sie steht vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens: Soll sie gehorchen – oder soll sie weiterhin um Gold kämpfen, obwohl ihre Familie im Iran von Verfolgung und Bestrafung bedroht ist? Leila ist stur und widersetzt sich zunächst. Wie lange hält sie das aus? Wie verhalten sich die Veranstalter? Und wie hoch kann der Preis für Freiheit sein?

Von wahren Storys inspiriert

Dem israelischen Filmemacher Guy Nattiv („Golda“) und der iranischen Starschauspielerin und Neo-Regisseurin Zar Amir Ebrahimi („Holy Spider“) gelingt das, was in der Politik aktuell unmöglich erscheint – eine friedliche Zusammenarbeit. „Tatami“ ist ein politisch brisanter, hoch spannend erzählter und toll gespielter Thriller, der in düsterem Schwarz-Weiß und beengendem 4:3-Format einen Sog entwickelt, dem man sich schwer entziehen kann. Vorgestellt vor einem Jahr in Venedig – also noch vor dem Terrorangriff der Hamas auf Israel– wurde das Regie-Duo von zahlreichen wahren Storys iranischer Sportlerinnen und Sportler inspiriert.
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