David vom Security-Personal steht in seiner Uniform in Pole-Position am Eingang des Geländes vor dem Happel-Stadion. Er ist die erste Ansprechperson für „Swifties“, die aus der U2 kommen. „Sorry, the Merch is closed“, klärt er eine Mädchen-Clique auf. Alle Merchandising-Stände bleiben zu. Wie oft er das heute schon gesagt hat? „Mehr als tausendmal“, sagt er. Und: „Ich habe schon viele Tränen gesehen.“ Eigentlich wäre er im Backstage-Bereich eingeteilt gewesen. Die Absage der drei Konzerte am Mittwochabend machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Wie Zehntausenden Fans, die nach Wien gepilgert sind.

Marlena trägt ein pinkes kurzes Kleid, eine Sonnenbrille in Herzform und viele Armbänder auf beiden Handgelenken. Sie ist 16 und mit ihren Eltern aus Bulgarien angereist. „Mein Herz ist gebrochen“, sagt sie. Seit einem Jahr habe sie sich auf das Konzert vorbereitet und die Outfits für sich (Era “Lover“) und ihre Eltern ausgewählt. Die drei stehen auf dem Areal und machen ein Stattdessen-Foto. Wie sie verweilen viele Swifties-Fans vor dem Stadion, tauschen Armbänder, Wildfremde umarmen sich. Einmal sehen, wo sie ihren „Summer of 2024“ haben hätten können. Die Foodtrucks sind geschlossen, Ordnungspersonen verweisen alle Kameraleute oder Fotografinnen des Areals. Ein Gabelstapler sammelt die Absperrgitter ein. Die Sonne brennt herunter.

Sarah und Brian haben sich Räder ausgeborgt und cruisen über das Gelände. Sie sind aus Los Angeles angereist. „Ich bin enttäuscht und traurig“, sagt die 38-Jährige. Der Konzert-Trip nach Wien sei ihnen billiger gekommen als ein Ticket in Miami für 3000 Dollar. „Außerdem hätten hier 65.000 Menschen an einem Abend miteinander gefeiert.“ Sarah ist ein Fan der ersten Stunde. „Seit 1999“, erzählt sie. „Ich bin mit ihr, ihrer Musik, ihren Texten mitgewachsen.“ Taylor Swift sei eine Ikone: selbstbestimmt, empathisch, feministisch, sie mache die Musik, die ihr gefalle. Eines nehme sie aus Europa mit: die Freundschaftsarmbänder. Die seien ihr neu. Die beiden wollen weiter nach Wien-Mariahilf radeln. Dort, in der Corneliusgasse, steht ein Baum, um den sich die „Swifties“-Community versammelt und Trost spendet. Der Name der Gasse ähnelt nämlich dem Song „Cornelia Street“, der auf Swifts siebtem Album „Lover“ zu finden ist.

Vor dem Baum stehen auch Jenny (26) und ihre Mama Nadja (46) aus Würzburg in Pailettenkleidern und Glitzersteinchen im äußeren Augenwinkel. „Ich habe sehr lange für diese Konzerte gespart“, erzählt Jenny. Drei VIP-Tickets konnte sie ergattern. Als sie von der Absage erfuhren, hätten sie zuerst einmal geweint und neben den Steinchen glänzen auch Tränen in ihren Augen. „Das Schluchzen war auch aus anderen Hotelzimmern hörbar gewesen.“ Jenny hat VIP-Produkte beim Frühstück an andere verteilt und an Türklinken im Hotelgang hätten sie Armbänder gehängt. Jenny hatte 1500 Bänder im Gepäck. Und die werden eifrig vor dem Baum getauscht.

Mutter-Tochter-Trip der Extraklasse: Jenny und ihre Mama Nadja hatten 1500 selbstgebastelte Bänder im Gepäck
Mutter-Tochter-Trip der Extraklasse: Jenny und ihre Mama Nadja hatten 1500 selbstgebastelte Bänder im Gepäck © Julia Schafferhofer

Lena (19), Sarah (19), Magdalena (21) und Viktoria (19) sind zu viert aus Wörgl gekommen. Sie sind traurig, trösten sich mit Swifts Musik – etwa dem Song „All to Well“ vom Album „Red“. „Schön“, sagt eine, „wäre ein Ersatztermin.“ Denn: „Das Geld zurückzubekommen ist kein Trost.“ Antonia (22) ist wütend. Aber: „Man darf sich nicht unterkriegen lassen.“ Ihr Ersatzplan für den Abend: „The Eras Tour“ als Filmdoku mit ihren Freundinnen anschauen.

Vier Freundinnen sind aus Wörgl angereist und warten vor dem „Swifties“-Baum in der Corneliusgasse
Vier Freundinnen sind aus Wörgl angereist und warten vor dem „Swifties“-Baum in der Corneliusgasse © Julia Schafferhofer

Andere Fans treffen sich im Prater, besuchen eine der Bars oder Ersatzpartys oder stimmen spontan Ständchen auf dem Stephansplatz an, wie dieses Video zeigt. Seit frühem Nachmittag stehen Hunderte Fans an der Ecke Kärntner Straße, Singerstraße, haben zuletzt eine golden Rikscha gemietet, die Swift-Songs spielt. Die Menge singt und tanzt und lässt sich nicht stoppen. An der Ecke im zweiten Stock hat jemand ein Plakat ans Balkon-Geländer gehängt: „We support Swifties“ ist darauf zu lesen. Man unterstütze die vielen Tausenden Fans.

Andere wiederum nehmen findige Angebote von Restaurantketten oder Lokalen wahr. „Ulrich“ in Wien-Neubau warb online sofort mit „Bubbles for your troubles“ mit rosa Sekt für alle „Swifties“ mit Ticket und die Kette „Le Burger“ postete eine Einladung zu einem Gratis-Burger.