Die Karriere der Schauspielerin Kristen Stewart war seit ihrem Durchbruch mit der „Twilight“-Reihe stets von zwei Extremen geprägt. Dem Publikum zum einen, das ihr eine hölzerne Ausstrahlung unterstellte und vielleicht gerade einmal die Herrschaft über zwei Emotionen zugestand. Zum anderen entstand eine beeindruckende Filmografie, die mit zahlreichen internationalen Auszeichnungen veredelt wurde.

Heute kann man sagen, dass Stewarts subtile Art auch den schlechtesten Film erträglich macht. Ihre Figuren wirken nie überzeichnet oder aufgesetzt. Sie verschmilzt mit ihnen, bringt deren ambivalentes Innenleben zum Vorschein. Das ist in „Love Lies Bleeding“, dem zweiten Film der britischen Regisseurin Rose Glass, auch notwendig. Ihr mit Neo-Noir angehauchter Genre-Film zelebriert mit viel Haarspray, Dreck, Sex und Synth die 1980er und er braucht Stewart als Ruhepol, um seine exzessiven Momente auszugleichen.

Stewart spielt die Fitnessstudio-Angestellte Lou, eine queere Einzelgängerin, die schon lange keinen Kontakt mehr mit ihrem kriminellen Vater (Ed Harris) hat und regelmäßig mitansehen muss, wie ihr Schwager J.J. (Dave Franco) ihre Schwester Beth (Jena Malone) verprügelt. Ihr Alltag besteht darin, Toiletten zu putzen, Steroid-Smoothies für die männliche Kundschaft zu mixen, die Avancen der von ihr besessenen Daisy (Anna Baryshnikov) abzuwehren und daheim zu masturbieren.

Dann taucht eines Tages die Bodybuilderin Jackie (Katy O’Brian) im Studio auf und nichts ist mehr wie vorher. Lou und Jackie fangen sofort eine leidenschaftliche Beziehung an. Sie bereiten Jackie auf einen Wettbewerb in Las Vegas vor. Über all dem Spaß schwelt jedoch auch ein Konflikt: Jackie arbeitet für Lous Vater auf dessen Schießstand. Der Vater beginnt, sich in das Leben der beiden einzumischen, als es nach einem Abendessen zum Konflikt mit seinem Handlanger J.J. kommt. Plötzlich geht es ums Überleben.

Schweiß, Sex und Muskelmasse sind nur einige der Zutaten der Actionromanze „Love Lies Bleeding“
Schweiß, Sex und Muskelmasse sind nur einige der Zutaten der Actionromanze „Love Lies Bleeding“ © Anna Kooris

Wo Glass ihre Einflüsse für dieses poppige, ästhetisierte Stück, in dem ab diesem Punkt düster-komödiantisches Chaos ausbricht, hernimmt, kann man höchstens erahnen. Manches erinnert an David Lynch, manches an die Coen-Brüder. Dennoch bleibt „Love Lies Bleeding“ stets sich selbst treu und wirkt nicht nur wie ein Abziehbild vorangegangener Klassiker. Die gängigen Klischees einer brutalen Familie, einer tückischen Beziehung und gebrochener Persönlichkeiten entschärft der Film gekonnt und stellt den sonst so gängigen hetero-normativen Blick eines Noirs gelungen auf den Kopf.

Bewertung: ●●●●○