Krepierkenntnis“. Das Wort ist typisch Helena Adler. Hart, rau, verspielt und von bitterem Humor. Es fällt im Rahmen ihres Textes „Miserere Melancholia“, in dem sie eine Art Selbstgespräch mit einem Dämon führt. „Du bist der Knecht der Krepierkenntnis. Du bist der Kern meiner Krepierkenntnis“, wirft sie ihm an den hässlichen „Schweinskadaverkopf“. Der Dämon Melancholie gehört zu diesem Leben, das in diesen knapp 30 Seiten beschrieben wird. Man kann wohl Autofiktion sagen, denn der Text dokumentiert ein Anschreiben gegen den nicht nur gewissen, sondern ganz konkret heraneilenden Tod. Am 5. Jänner dieses Jahres verstarb die Salzburger Autorin mit 40 Jahren an einem Gehirntumor.

Drei kleine Texte wurden nun posthum veröffentlicht und verweisen auf den Verlust, den auch die literarische Welt durch Adlers Tod erlitten hat. „Ein guter Lapp in Unterjoch“ steht in der Tradition des Anti-Heimat-Romans, verfügt aber über einen erfrischend sardonischen Unterton, der die ganze Bitterkeit über die Hässlichkeit von Land und Leuten nicht in Selbstmitleid ertränkt, sondern zum grimmig prickelnden Vergnügen macht.

„Miserere Melancholia“ liest sich dagegen wie eine Krankengeschichte, wo schon eine Dreijährige inmitten verstrahlter Pilze (Tschernobyl!) erstmals Bekanntschaft mit der Depression macht. Die elementare Erfahrung Krankheit, der ewige Disput, den Hader und das Unglück, all das, was eine psychische Störung verursacht, findet hier noch einmal eine plausible literarische Darstellung aus der Innensicht. Der als Theatertext angedachte Dialog zwischen Persönlichkeitsteilen, die sich gegen Ende des Lebens miteinander versöhnen. Am Ende geht man gemeinsam zum Begräbnis und schaut auf die sterblichen Reste. Das schnürt dem Leser dann doch den Hals zu.

Irgendwann schreibt Adler, wiederum in typisch herzerwärmend herber Manier: „Toten sollen Worte folgen.“ Helena Adlers Verlag hält sich mit „Miserere“ zum Glück daran. Martin Gasser

Helena Adler. Miserere. Jung und Jung, 80 Seiten, 17 Euro.