Ihren fast 140.000 Followern auf X/Twitter verspricht sie augenzwinkernd, sie werde „eine gütige Regentin sein“, ein politisches Ziel gibt es auch schon: „Die Bekämpfung des Bösen“ kündigt Sibylle Berg in ihrem Profil an. Da wird sie ja tüchtig zu tun haben im Europaparlament der nächsten fünf Jahre. Die Autorin und Kolumnistin ist für die deutsche Satire-Partei „Die Partei“ in die politische Volksvertretung der Europäischen Union gewählt worden, auf dem zweiten Listenplatz hinter Parteigründer Martin Sonneborn. Der Satiriker ist bereits seit 2014 Mitglied des Europaparlaments, in Deutschland hat „Die Partei“ bei der EU-Wahl diesmal 1,9 Prozent der Stimmen erhalten.

„Zu zweit werden wir jetzt den Überwachungsfaschismus gütig beenden“, kündigte Neo-Parlamentarierin Berg an, und auch, wenn „Die Partei“ einst als Spaßprojekt begonnen hat und zwei Stimmen unter 705 nicht viel ausrichten werden, ist es ihr mit der Absichtserklärung vermutlich ernst: Die 62-Jährige, die nach eigenen Angaben bisher insgesamt 32 Theaterstücke und 17 Romane veröffentlicht hat, bezieht unter anderem als Kolumnenschreiberin, Essayistin und Podcasterin so regelmäßig wie kämpferisch Position zu gesellschaftspolitischen Fragen. Dabei basiert ihre Literatur (darunter Romane wie „Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot“, „Vielen Dank für das Leben“, „GRM“) auf akribischer Recherche; zuletzt befasste sie sich in ihrem gefeierten Roman „RCE“ (2022) mit der Digitalisierung, Vermessung, Verwertung des Menschen und entwarf darin die Fiktion einer Massenmobilisierung gegen Kapital und Technologie – und zwar via „Remote Code Execution“, einer Art digitaler Fernsteuerung. Keine Frage, die Frau hat Visionen. Eine Weltrevolution aus dem Zusammenwirken von Menschen und Technik wird die aus Ostdeutschland stammende, in der Schweiz lebende Autorin und Aktivistin im Europaparlament wohl nicht so bald durchsetzen, aber bestimmt hat sie dort Gelegenheit, eine Richtlinie anzuwenden, die sie in „RCE“ formuliert hat: „Wenn man siegen will“, schreibt sie da, „muss man von Menschen lernen, die den Planeten besitzen und ihn ruinieren.“