Wie schön, dass sie wieder alle da sind: Der geniale Kriminalkommissar und Flaneur Jean-Baptiste Adamsberg, seine rechte Hand, das wandelnde Lexikon Danglard, außerdem die hünenhafte Amazone Retancourt und der schlafbedürftige Informatik-Experte Mercandet. In „Jenseits des Grabes“ verschlägt es die Pariser Polizeibrigade in die Bretagne, wo ein Serienmörder ein ganzes Dorf in Atem hält. Die Grande Dame des literarischen Krimis Fred Vargas zieht auch in ihrem zehnten Band rund um den eigenwilligen Ermittler von der spannenden Handlung über das originelle Personal bis zum leisen Humor alle Register ihrer Kunst.

Den besonderen Reiz ihrer Romane macht aber das Dazwischen aus. Die assoziativen Nachdenkphasen zwischen Träumen und Wachen, die Adamsberg mehr intuitiv als durch Logik auf die Lösung eines Falles bringen: „Adamsberg dachte nach, indem er sich seinen langsamen Schritten hingab und Gedanken aller Art - er sortierte sie nicht - im Rhythmus seines schaukelnden Ganges vorüberziehen, sich kreuzen, aufeinanderprallen, sich ansammeln und wieder zerstreuen, kurzum, sie nach Belieben schalten und walten ließ.“ Nicht immer funktioniert das auf Anhieb und die Idee bleibt „schmollend am Grund seines Sees verankert.“ Doch der Kommissar entdeckt einen prähistorischen Dolmen, einen megalithischen Steintisch, auf den sich der „Wolkenschaufler“ legt, um „Ideen wachsen zu lassen“.

Die im Zivilberuf studierte Archäologin Vargas lässt ihren Ermittler tief im Unbewussten graben, Gedankenblasen aufsteigen und wieder verschwinden. Und das alles in einem liebevoll gezeichneten, oft surrealen Szenario, in dem Schatten gejagt werden, ein hinkendes Gespenst umgeht, ein blauäugiger Security-Mann von einer Eselsfarm träumt und die Frage nach weißen Albino-Schwalben auftaucht. Ganz realistisch sind hingegen die Auswirkungen des Klimawandels, die sich unaufdringlich aber beständig durch die Handlung ziehen. Ihm hat sich die Autorin bereits vor zwei Jahren in einem aufrüttelnden Sachbuch gewidmet. Doch das ist eine andere Geschichte.

Fred Vargas. Jenseits des Grabes. Aus dem Französischen von Claudia Marquardt. Limes. 528 Seiten, 26,80 Euro.

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