„Ich habe eine ganze Generation junger Menschen wie Todesengel fallen sehen.“ Mit diesem Satz beginnt der Debütroman „Die schlechte Gewohnheit“ der spanischen Schriftstellerin und Dramatikerin Alana S. Portero. Und es ist wahrlich eine dramatische, erschütternde, emotionsgeladene Geschichte, die Portero zu erzählen hat. Der eingangs erwähnte „Todesengel“ ist Efrén; ein Junge, nie zum Mann gereift, der Körper der Junkies „durchbohrt von Nadelstichen wie der heilige Sebastian“. Gefallen ist er im Madrider Arbeiterviertel San Blas, die Häuserblocks während der Franco-Zeit errichtet - „die Menschen aus der Arbeiterklasse wurden von den spanischen Faschisten schon immer als bloße Lasttiere wahrgenommen, die man in der Peripherie einstallen musste.“
Die Last, die die namenlose Ich-Erzählerin zu tragen hat: Tief im Inneren weiß sie, dass sie ein Mädchen ist, doch leider steckt sie im Körper eines Jungen. Auf hohem literarischen Niveau, gleichzeitig voll Poesie und Wut, erzählt Portero von einer Trans-Kindheit und -Jugend in den 80er-Jahren, die auch ihre eigene Geschichte ist. Portero ist Mitbegründerin der Theatergruppe STRIGA und schreibt über Feminismus und LGTB-Aktivismus aus der Perspektive einer Transfrau.
San Blas ist kein gutes Pflaster für Selbstverwirklichung oder Selbstfindung, und die Momente der Solidarität sind rar. Die Ich-Erzählerin in Porteros Roman durchläuft die brutale „Korrekturmaschinerie“, erlebt und erleidet absurde Männlichkeitsrituale, nur im Schutz der Nacht und in pulsierenden Clubs erkämpft sie sich Stunden der Freiheit und des schnellen Glücks; sobald die Sonne aufgeht, muss aber wieder der fremde Körper bewohnt werden.
„Die schlechte Gewohnheit“ ist ein warmherziges, engagiertes Plädoyer zwischen rohem Realismus und größter Zärtlichkeit für das „Anderssein“, für das Recht auf Autonomie und Selbstbestimmung und gegen soziale Unterdrückung und Gewalt. Vieles hat sich seit den 1980er-Jahren geändert, aber San Blas existiert noch immer in den Köpfen.
Alana S. Portero. Die schlechte Gewohnheit. Claassen, 236 Seiten, 24,50 Euro.