Innnerhalb von 36 Jahren hat sich die vom Grazer Märchendichter und Erzähler Folke Tegetthoff initiierte „Lange Nacht der Märchenerzähler“ von einem lokalen Ereignis zu einem mehrtägigen, internationalen Festival entwickelt. Seit Samstag heißt es in Graz, Bruck an der Mur, Bad Radkersburg und erstmals auch in Weiz wieder hingehen, zuhören und sich unter dem zeitgemäß Social-Media-tauglichen Motto „#growingstories“ in Geschichtenwelten entführen lassen; Tanz, Musik, Pantomime, Puppenspiel und Akrobatik inklusive.

Mit von der Partie sind bei dem seit 2022 von Tessa Erker-Tegetthoff geleiteten Festival auch wieder Schauspielstudierende der Kunstuniversität Graz. Seit drei Jahren ist dort die professionelle Erzählerin Christiane Willms Professorin für Sprechen und Sprachgestaltung. Ebenso lange gibt es die Kooperation zwischen der KUG und dem Austrian International Storytelling Festival. Entstanden ist sie aus dem Wunsch des Festivalgründers, Nachwuchserzählerinnen und -erzähler zu fördern: „Der erste Kontakt war geradezu märchenhaft“, weiß Willms zu erzählen. „Damals im Februar schrieb Folke Tegetthoff an den Vorstand vom Schauspielinstitut, ob man an einer Kooperation mit dem Festival interessiert sei, und der schrieb zurück: Sie haben ein gutes Timing, ab ersten März ist hier eine professionelle Geschichtenerzählerin Professorin für Sprechen. Ich verbinde Sie einmal.“

Die für beide Seiten fruchtbare Kooperation startete unmittelbar darauf. Schon im selben, noch von der Pandemie geprägten Jahr traten die ersten beiden Schauspielstudierenden beim Erzählkunstfestival auf. Auch Willms selbst tritt seither beim Festival auf. Sie blickt auf 30 Jahre Berufserfahrung als Erzählerin zurück. Vor ihrem Engagement in der Steiermark unterrichtete sie Sprechen an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln und entwickelte Erzählkonzerte für die Kölner Philharmonie.

„Wir befreien die Geschichten“

Auf der Bühne erzählt sie ausschließlich überlieferte Geschichten. „Geschichten erfinden ist eine eigene Kunst, die ich sehr bewundere. Aber es ist nicht meins“, stellt Willms klar. „Ich entwickle meine eigenen Geschichten aus dem, was schon da ist. Bevor Gutenberg mit dem Buchdruck die Welt revolutionierte, sind alle Geschichten durch mündliche Überlieferung weitergegeben worden. Sie haben sich ständig verändert. Und dann sind sie in die Bücher eingezogen, manche sagen auch: eingesperrt worden. Wir Erzählerinnen befreien sie dann sozusagen wieder aus den Büchern.“

Auf der KUG erfreut sich ihr Wahlfach Freies Erzählen immer größerer Beliebtheit. „Letztes Jahr war es so voll wie noch nie. Die Studierenden sehen, was für spannende Dinge da passieren, und sie bekommen die Gelegenheit beim Erzählfestival aufzutreten. Dieses Jahr haben wir sieben Studierende mit elf Auftritten. Im ersten Jahr waren es zwei mit einem Auftritt“. Die meisten der Studierenden treten beim „Fest der Fantasie“ auf, das am Sonntag bereits in Weiz stattgefunden hat, am 19. Mai in Graz, am 25. in Bruck und am 26. in Bad Radkersburg stattfinden wird. Die beiden Erfahrensten der Studierenden werden außerdem im Grazer Schauspielhaus bei einer der ebenfalls an allen vier Orten zu erlebenden „Langen Nacht der Geschichten“ dabei sein.