Den Tod gibt es nicht, zumindest sind wir ziemlich gut darin, seine Existenz auszublenden. Slapstick-Virtuose Herbert Fritsch widmet sich im Burgtheater-Projekt „Zentralfriedhof“ dem entschiedensten Eskapismus des Menschen mit ebendieser Strategie; zumindest wird das im Programmheft angesichts einer Welt voll Krieg, Terror und Naturkastrophen so argumentiert: „Im Theater sind wir weit weg von dieser Wirklichkeit und können den Fokus kurz verschieben.“

Am Zentralfriedhof ist also gut lustig sein: Vorhang auf für eine elfköpfige Riege von Pompfüneberern in seriösen Wiener Bestatteruniformen. Fast wortlos werden sie anderthalb Stunden lang ihre Faxen treiben, werden in sorgfältig choreografierter Körperkomik unter knalliger Geisterbahnbeleuchtung in Stan & Ollie-Manier ihre Jacken tauschen und sich in einem gordischen Hosenträgerknoten verstricken, werden mit ihren Schaufeln ringen, werden erst Kunststücke auf ihren Diensträdern vollführen, die man, wer hätte das gedacht, auch wie Reifröcke tragen kann.

Schaurige Seufzer

Ein Geisterbahnskelett wird für Schrecken sorgen, schaurige Seufzer fügen sich zur „Schönen Blauen Donau“, und natürlich stehen offene Gruben bereit. Mit Trampolinboden, sodaß es jeden, der hineinfällt, umgehend zurück unter die Lebenden katapultiert. Dann tauchen Zombies auf, die bei soviel Lustbarkeit halt auch nicht unter der Erde bleiben mögen, bald sind die braven Pompfüneberer zu Wiedergängern in schwarzer Spitze transformiert. Die sehen alle verdächtig wie Kaiserin Zita aus und ringen sich dann doch ein paar Silben ab: Ha. Und: Lo. Und: Win. Das könnte „Hallo, Wien“ bedeuten oder „Halloween“, aber das ist, so lautet der einzige Satz des Abends, „Eh scho wuascht“, und der Mummenschanz löst sich in einem bunten Konfettiwirbel auf. Und in wildem Applaus, denn Klamotten-König Fritsch hat eine große Fangemeinde im Burgtheater, da stören ein paar dazwischen gepfefferte Buhrufe fast gar nicht.

"Zentralfriedhof": Ende mit Konfetti © APA / Matthias Horn

Angeblich ist Fritschs „Zentralfriedhof“ eine Hommage an das 150-Jahr-Jubiläum von Europas größter Bestattungsanlage. Dass Martin Kušej den Abend als letzte Premiere seiner vorzeitig zu Ende gehenden Burg-Direktion angesetzt hat, war vielleicht auch als Kommentar auf Wien gemeint. Aber dafür ist der Abend zu heiter, zu eskapistisch eben. Wobei: Bekanntlich ist die Melancholie ein Grund- und Botenstoff der Komik, und auch diesen „Zentralfriedhof“ durchweht bei aller Leichtfüßigkeit eine zarte Schwermut, ein Zauberhauch von Vergeblichkeit und Vergänglichkeit, der die spielerische Regsamkeit und komische Ambition der elf Protagonisten erst recht zum Leuchten bringt.