James Tynion IV hat es sich vor einer mächtigen Bücherwand bequem gemacht, als wir ihn per Videoanruf in den USA erreichen. Der New Yorker gehört zu den wichtigsten Comic-Autoren der letzten zwei Jahrzehnte – und zu den großen Stars des Geschäfts.
Gerade erst hat er „Tiny Onion“ gegründet. Mit seiner Firma, in die Lyrical Media eine siebenstellige Dollar-Summe als Startkapital investiert hat, will er Großes bewirken. Ein nächster Comic-Gigant wie DC oder das nächste Medien-Imperium wie Disney? „Wir wollen eher klein und kreativitätgesteuert bleiben, das ist die zentrale Idee bei den Comics. Im Filmbereich mache ich lieber einen Film um fünf Millionen Dollar, dann können wir mehr riskieren“, sagt er. 100-Millionen-Filme sollen andere machen. Der 36-Jährige kann auf ein reiches Œuvre zurückgreifen: Für DC schrieb er Batman oder Justice League-Comics, außerdem hat er jede Menge eigenes Material im Köcher. Gerade wird sein internationaler Bestseller „Something is Killing the Children“ für Netflix verfilmt – eine Horror-Geschichte rund um die Monster-Jägerin Erica Slaughter. „Da bin ich Berater“, sagt er. Ebenso erfolgreich ist „The Department of Truth“. Der New Yorker, dessen Metier der Horror ist, hat bisher fünfmal den Comic-Oscar Eisner Award gewonnen.
Kreative Drehscheibe
Seine Firma will keine Comics veröffentlichen, aber Autorinnen und Autoren helfen: „Über die Jahre habe ich mir ein Ökosystem aufgebaut“, sagt er. Das habe man anfangs nicht – „Tiny Onion“ soll eine kreative Drehscheibe sein. Und in der Folge geht es darum, Projekte in Filme, Computer-Games oder Tabletop-Spiele zu verwandeln. In der Firmenbeschreibung heißt es, dass man „aggressive Pläne in jedem Medium hat“. Ein „Full size Disney“ zu werden, strebt er nicht an. Ihm schwebt ein Unternehmen wie Skybound Entertainment von Robert Kirkman vor, das ausgehend vom Comic „The Walking Dead“ ein Imperium geschaffen hat: „Seine Firma ist von seiner Vision getrieben. Ich habe mit Robert gerade über all das gesprochen. Sie haben fantastische Beziehungen.“ Tynion will seine kreativen Ideen und sein Comic-Œuvre in Zukunft mit „Tiny Onion“ vermarkten. Comic-Autoren können von seiner Firma auch im Bereich Infrastruktur oder Marketing profitieren. „Wir bauen gerade ein Team auf.“ Was man bei Lyrical Media oder Skybound sieht, ist, dass es hier um die crossmediale Verwertung der Inhalte geht, wie sie auch Tynion mit seiner eigenen Firma vorschwebt, um „neue Welten Schicht für Schicht“ aufzubauen.
Auch im Comic-Geschäft haben KI-Programme, die von selbst Geschichten zeichnen, Einzug gehalten. „Ich habe aber keine Pläne, so etwas zu verwenden. Ich bin zu den Comics gekommen, weil ich die Kunst liebe.“ Da gehe es um die kreative Energie mit den Zeichnern. Tynion arbeitet zum Beispiel mit dem Italiener Werther Dell’Edera bei „Something is Killing the Children“ zusammen. „Ich habe meine Ideen und die Zeichner haben ihre“, sagt er. Und gemeinsam würde ein großer Comic entstehen. Dass Künstliche Intelligenz beeindruckend sei, könne er aber nicht verneinen.