Es war so, dass ich mich nackt ausziehen sollte – als Einzige.“ Oder: „Warum muss er noch eine junge Schauspielerin nehmen, um ihr Gesicht in den Schritt zu drücken?“ Und: „Im Bademantel setzte er sich zu mir aufs Sofa, legte seine Hand auf meinen Oberschenkel.“ Diese Sätze stammen nicht aus einem schlechten Drehbuch für einen TV-Krimi. Sie sind allesamt so passiert; auf Theaterproben, an Filmsets, bei Castings. Die Betroffenen dieser Übergriffe haben nun ihr Schweigen gebrochen und in der NDR-Doku „Gegen das Schweigen“ ausgepackt; viele vor der Kamera. Drei mutmaßliche Täter werden beim Namen genannt; zwei stammen aus Österreich: Regisseur Julian Pölsler, Theatermacher Paulus Manker, Schauspieler Kida Khodr Ramadan. Namen, hinter denen eine Reihe von eidesstattlichen Erklärungen, journalistischen Gegenchecks und Zeugen-Berichten stehen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Innerhalb der Film- und Theaterbranche sind die Namen seit Jahrzehnten ein offenes Geheimnis. Dass einige Beschuldigte nun namentlich genannt werden, ist wichtig. Nicht aus voyeuristischen Gründen, sondern zur Bewusstseinsbildung; vielleicht auch zur Abschreckung. Wobei ein paar prominente Namen das Problem des strukturellen Machtmissbrauchs und das System des Mittragens, Wegschauens und des hierarchischen Machtgefälles nicht lösen. Da ein Künstler, ein Genie, ein Star. Dort junge Schauspielerinnen und Schauspieler mit einem Traumberuf. Die Mär von Genie und Wahnsinn wurde ewig geduldet, mitgetragen, verteidigt – in der selbst definierten Kulturnation. Also sexualisierte Gewalt und Grenzüberschreitungen unter dem Deckmantel der Kunst toleriert. Ist halt so: Friss oder stirb!

Österreich ist nicht stärker betroffen als andere Länder. Die Kulturbranche nicht das schwarze Schaf, sondern eine von vielen Branchen. Wenngleich prekäre Arbeitsverhältnisse, Konkurrenzdenken und der Empfehlungscharakter wohl begünstigende Faktoren sind. Dass Österreich ein kleines Land ist, in dem jeder jeden kennt, befeuert die Abhängigkeiten. Wer einmal was sagt, den engagiert man nicht mehr. Auch deswegen wird – nebst Traumata und Retraumatisierung – oft geschwiegen. Manchmal für immer.

Es geht nicht um Vorverurteilung auf Basis von Gerüchten. Es geht um die Betroffenen. Immer. Sie entscheiden, wann und mit wem sie darüber reden. Oder nicht. Das gehört respektiert, das betonen Opferschutz-Organisationen wie we_do oder vera*.

Das Ziel muss es – zum Wohle aller – sein, Beschäftigte zu schützen. Vor Belästigung, vor sexualisierter Gewalt, vor Übergriffen aller Art. Ihnen im Falle einer Grenzüberschreitung zu glauben, sich mit ihnen zu solidarisieren, einen sicheren Arbeitsplatz zu gewährleisten. Dazu sind Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verpflichtet. Auch große Produktionen, öffentlich subventionierte Theater und TV-Sender. Das ist keine Frage des Wohlwollens, sondern eine arbeitsrechtliche.