Ihre Romane wie „Die Vergiftung“, „Leben verboten!“, „Viermal ich“ werden hymnisch besprochen, Burg- und Akademietheater haben seit 2019 zwei ihrer Werke ins Repertoire aufgenommen („Der Henker“, „Die Eingeborenen von Maria Blut“). Ihr Stück „Der Nebel von Dybern“ ist ab Freitag am Grazer Schauspielhaus zu sehen. Im Frühjahr erscheinen vier bisher unveröffentlichte Stücke, im Sommer folgt dann ein Erzählband.

Es sind triumphale Jahre für die Autorin Maria Lazar. Bloß kommt der Durchbruch ein Dreivierteljahrhundert zu spät. 1948 nahm sie sich das Leben, vergessen, isoliert und krank.

Unbestrittener Star

Dass ihr Werk überhaupt wieder zugänglich wurde, ist der Abenteuerlust eines Mannes zu verdanken: Eine Vorlesung des Wiener Germanistik-Professors Johann Sonnleitner über österreichische Autorinnen bis 1945 weckte das Interesse Albert Eibls. 2014 gründete er kurzerhand einen Verlag, um ein Werk Lazars wieder unter die Leser zu bringen. Mittlerweile hat er in seinem Unternehmen „Das vergessene Buch“ etliche obskure Werke der jüngeren deutschsprachigen Literaturgeschichte wieder aufgelegt – etwa von Marta Karlweis, Else Jerusalem, Maria Gleit, Carl Laszlo.

Unbestrittener Star seines Wiener DVB Verlags aber ist Lazar, geboren 1895 als jüngstes Kind einer in den 1880er-Jahren zum Katholizismus konvertierten jüdischen Wiener Familie. Sie war mit Adolf Loos, Elias Canetti, Hermann Broch und Egon Friedell bekannt, ließ sich von Oskar Kokoschka porträtieren, schon ehe sie – früh, 1933 – ins skandinavische Exil ging, hatte sich in den 1920er-Jahren erster literarischer Ruhm eingestellt, im Positiven wie im Negativen: Robert Musil etwa lobte an ihrem Romanerstling „Die Vergiftung“ die „behende Kraft im Figuralen“, Thomas Mann hingegen hasste dessen „penetranten Weibsgeruch“.

„Wahnsinnig präzise, kluge Sprache“

Dass Lazar starke Frauenfiguren erdachte, wird ihr heute nicht mehr vorgeworfen, im Gegenteil: „Ihre Frauen sind zwar ihrer Zeit verhaftet, aber höchst hellsichtig“, erzählt Dramaturgin Anna-Sophia Güther, die mit Regisseurin Johanna Wehner in Graz „Der Nebel von Dybern“ bearbeitet. An der Autorin und ihrem Stück (dessen Aufführung in Graz 1933 aus antisemitischem Kalkül verhindert wurde) fasziniere „die wahnsinnig präzise, kluge Sprache, die fast krimiartige Dramaturgie, die unglaublich guten Dialoge“, sagt Güther. Auch aktuelle Bezüge sind reichlich gegeben: „Der Nebel von Dybern“ beschreibt die Zerfallserscheinungen einer Gemeinschaft angesichts einer schleichenden Vergiftung von Mensch und Vieh: Liegt das Gift in der Luft? Ist es menschengemacht? Eine Gottesprüfung?

Lazar schrieb das Stück unter dem Eindruck der Giftgas-Schlachten im Ersten Weltkrieg; in Graz geht es, sagt Güther, um eine nicht so eindeutig zuordenbare „dräuende Katastrophe am Horizont und die Frage, wie sich die Menschengesellschaft in ihrem Angesicht verhält.“

Maria Lazar, porträtiert von  der berühmten Künstlerfotografin Trude Fleischmann
Maria Lazar, porträtiert von der berühmten Künstlerfotografin Trude Fleischmann © Ullstein

Das klingt mehr als aktuell. Und wird aller Voraussicht nach nicht der letzte Coup im Zuge der Lazar-Wiederentdeckung sein: Mitte April erscheinen vier bisher unveröffentlichte Stücke der Autorin, Theater haben bereits Interesse angemeldet, schildert Verleger Eibl. Weitere literarische Schätze der „Meisterin der Grautöne“ sind zu erwarten: Lazars Nachlass wird derzeit noch aufgearbeitet. Und auch anhaltendes Interesse ist wohl gewährleistet: Die aktuelle „Weltangst“ um Kriege, Blackout, Wirtschaftskrise, sagt Eibl, scheine in Lazars Werk wie vorweggenommen. „Sie zählt zu den Autorinnen, in deren Werk man sich heutzutage wiedererkennen kann.“