Sie war ein Superstar ihrer Zeit, Schauspielerin, Autorin und Chansonniere. Und sie war perfektes Boulevardfutter, dank ihres Erfolgs, ihrer Affären und Krisen gesundheitlicher, seelischer, romantischer Natur. Die Berlinerin Hildegard Knef war die erste Nackte im deutschen Nachkriegskino (1950 in „Die Sünderin“), die erste (und noch immer einzige) Deutsche, die am New Yorker Broadway in einer Hauptrolle debütierte (1955 in „Silk Stockings“). Ihr Privatleben breitete sie in Interviews und Memoiren bereitwillig aus, als  Sängerin entwickelte sie eine Vortragskunst, die ihr ab den 1960ern nicht nur Chartplatzierungen und eigene TV-Shows einbrachte, sondern auch das Lob einer Göttin: Für Ella Fitzgerald war sie „die beste Sängerin ohne Stimme“.

Souveräne Persönlichkeit

Gäbe es ihren Evergreen „Für mich solls rote Rosen regnen“ und den ihr huldigenden Drag-Act „Irmgard Knef“ nicht, wäre die Knef (1925 bis 2002) heute fast vergessen. Dabei hat die souveräne Persönlichkeit auch jenseits ihres Status‘ als Entertainment-Ikone Geschichte geschrieben – und zwar als Autorin: Ihr autobiografisches Buch „Das Urteil“ war ein internationaler Verkaufsschlager und belegte 1976 gar den zweiten Rang der US-Bestsellerliste. Sein Thema: Brustkrebs. Das war damals noch ein soziales Tabu; dass da jemand mit derartiger Offenheit über die eigene Erkrankung und ihre Behandlung schrieb, quasi unerhört. Jetzt ist es der Anknüpfungspunkt für das dramatische Projekt „Hilde“, das am Freitag im Grazer Theater im Bahnhof uraufgeführt wird.

Rote Rosen für Hildegard Knef anno 1995. Sie starb 2002
Rote Rosen für Hildegard Knef anno 1995. Sie starb 2002 © APA

Ensemblemitglied Martina Zinner, in der Neowienerlied-Combo „Thomas Pfeffer und Konsorten“ selbst als Sängerin und Kornettistin aktiv, bestreitet das von Ed. Hauswirth inszenierte Solo. Sie wird in diesem natürlich auch singen, aber davon abgesehen spielt Knefs Biografie eine Nebenrolle. Ausgangpunkt des Abends ist vielmehr die Frage, „wie es wäre, wenn sich bei einer Mammografie herausstellt, dass da was ist“, erzählt Zinner. Eine Situation, die von der Knef enttabuisiert wurde und zu der auch heute viele Frauen einen nur zu persönlichen Zugang haben. Auch sie selber, erzählt Zinner, musste mit einem der gefürchteten Knoten schon zum Röntgen, gottlob ohne schlimme Diagnose. „Aber man kennt dann halt den Schrecken.“ Und speziell in einer Lebensphase, in der nicht krank zu sein plötzlich keine Selbstverständlichkeit mehr ist, „kriegt das einen anderen Stellenwert.“ In ihrem Umfeld von durchwegs über-50-Jährigen sei etwa die fragile Gesundheit der eigenen Elterngeneration gerade sehr präsent, „und auch das eigene Alter wird ganz anders zum Thema als vor 20 Jahren, wo das noch viel weiter weg war.“

Martina Zinner gestaltet ihr Solo nach dem Vorbild einer „starken Frau, die zugleich sehr zerbrechlich war“
Martina Zinner gestaltet ihr Solo nach dem Vorbild einer „starken Frau, die zugleich sehr zerbrechlich war“ © Johannes Gellner

Vor diesem Hintergrund wird die Knef, „als starke Frau, die zugleich sehr zerbrechlich war“, zur perfekten Schablone für eine Bühnenfigur, die vom Umgang mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung erzählt – auch anhand von Knef-Chansons und -texten, und natürlich nah am Original. Denn die Knef, sagt Zinner, „war einerseits eine Diva, andererseits sagte sie, was sie dachte, eckte an und ließ sich nicht unterkriegen.“ Als Rollenvorbild klingt das sehr heutig.