Zwei Spielfilme, zwei Oscarnominierungen für den besten fremdsprachigen Film. Wenn wer auf eine Erfolgssträhne zurückblicken kann, dann ist es die mexikanische Regisseurin Lila Avilés. Ihr jüngster Film „Tótem”, der im Februar seine Uraufführung in Berlin feierte, und nun regulär in österreichischen Kinos startet, hatte nicht nur massenhaft positive Kritiken erhalten, sondern auch auf zahlreichen Festivals Preise eingeheimst.

Die Geschichte der kleinen Sol, die auf der Geburtstagsfeier ihres kranken Vaters dessen näher rückenden Tod verarbeiten muss, ist tief in der Kultur Mexikos, in deren Ritualen und der präkolonialen Mystik verwurzelt. Und dennoch spricht der Film eine universelle Sprache über Trauer, Verlust und Hoffnung. „Wir sind viel mit diesem Film herumgereist“, erinnert sich Avilés im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Für jeden habe der Film so wie der Titel etwas anderes bedeutet. Ein Totem, das Emblem einer Kultur, vielleicht auch einer Familie, wird hier auf eine metaphysische Ebene gehoben. Traditionen, Zusammenhalt aber auch Differenzen werden zu einem organischen Totem.

„Wir sind nicht allein. Wir haben Familie, unsere Freunde. Sie machen das Leben ein bisschen besser,“ so Avilés weiter. „Aber auch wenn man keine Familie hat, und man nur sich selbst und den Hund hat, ist das eine Beziehung, die das Leben glücklicher macht. Das ist das Schöne an „Tótem“.“ Die Verwirrungen des Lebens hatt Avilés schon in ihrem Spielfilmdebüt “The Chambermaid” 2018 erforscht. Damals noch beim Theater tätig, wusste sie immer schon, dass sie Filmemacherin werden wollte. „Die Geschichte begann als Übung bei einem Workshop für Theaterregisseure“, erinnert sich Avilés. Bald darauf wurde daraus ein filmisches Drehbuch.

Alte Frauen und junge Mädchen

Aber schon vor ihrem Spielfilmdebüt hatte sie sich in ihren Kurzfilmen „Déja Vu“ und „Nena“ mit der Isolation, den Gefühlen und den Alltagstraditionen von älteren Frauen und jungen Mädchen auseinandergesetzt. Einer permanent tieferen Metaebene verweigert sie sich aber. „Rituale können auch etwas Dummes wie mein Kaffee am Morgen sein. Der Blog denn ich so gerne höre. Es sind banale Dinge, aber sie sind auch wundervoll.“ Dass sie sich zum zweiten Mal dem Gefühlshaushalt eines Kinds widmet, spricht für deren Resilienz. „Als Erwachsene sagen wir manchmal, du bist so jung, du verstehst das nicht. Aber auch Kinder wissen viel.”

Ihre erneute Nominierung zum Kandidaten für den Auslandsoscar freut sie, Druck fühlt sie aber nicht. „Ich will noch so viel machen. Ich reise stets mit meiner Kamera und schaue, ob ich mit irgendjemanden irgendwo eine Verbindung spüre.“ Diese Verbindung sei das, was im Film letztendlich zu den Zuschauern überschwappen sollte. „Man sollte nie versuchen, einen gewissen Stil oder eine Botschaft zu erzwingen.“ Sols Verlust kann man als Mensch überall auf der Welt verstehen. Und sich vermutlich auch in dem kleinen Mädchen, ohne Zwang, wiederfinden.