Ein dunkler Durchgang, eine Gasse, die auch nicht sonderlich einladend wirkt, ein Mann von hinten im Schatten: Wien, Ende der 1940er-Jahre. Was verdächtig nach einer Filmkulisse für den Dritten Mann ausschaut, ist ein Blick in das Wien der Nachkriegszeit, die Fotografie, sie zeigt einen Kriegsheimkehrer. Es ist die hohe Kunst der sogenannten Street Photography, die dort, wo der Fotograf herkommt, vor wenigen Jahren ihren Ausgang genommen hat. In den USA haben in den 1930er-Jahren Fotografinnen und Fotografen damit begonnen, den fotografischen Blick auf Alltagsszenen zu richten und zu dokumentieren.

Das machte Yoichi Robert Okamoto ab 1945 als Militärfotograf auch in Österreich. Seine Fotografien dokumentieren das Leben inmitten des Wiederaufbaus – vom Waschen der Wäsche in der Donau wäscht, bis hin zur Malerin, die vor dem schwer beschädigten Stephansdom inmitten der Trümmer sitzt und malt. Hoch konzentriert, ganz in ihre Tätigkeit versunken oder das im Krieg schwer beschädigte Riesenrad, das im kargen ersten Nachkriegswinter wie ein Skelett in der Landschaft steht.

1948 wurde der Sohn japanischer Einwanderer Leiter der Bildsektion des amerikanischen Informationsdienstes in Österreich. Seine wichtigste Aufgabe: Die Dokumentation des Marshallplans in Österreich, aber es galt auch, die amerikanische Lebensart nach Österreich zu bringen. Der gratis erhältliche „Wiener Kurier“ war das Flaggschiff der US-Informationspolitik in Österreich und Okamoto war für die Bildbeilage zuständig: „Seine Abteilung flutete das ganze Land mit Fotografien und er brachte hervorragend gestaltet Storys, die den American Way of Life propagierten“, wie Kurator Hans Petschar erklärt.

Yoichi Okamoto mit Mitarbeitern in der USIS-Fotoredaktion, Juli 1952
Yoichi Okamoto mit Mitarbeitern in der USIS-Fotoredaktion, Juli 1952 © USIS Staff Fotograf 

Die enorme Bandbreite seines Könnens ist vor allem auch in den Porträts zeitgenössischer heimischer Künstlerinnen und Künstler sichtbar, die Okamoto in den 1950er-Jahren angefertigt hat. Darunter der Bildhauer Fritz Wotruba, den er in seinem Atelier besucht hat, erzählt die Kuratorin Marlies Dornig: „Es war ihm ein großes Anliegen, diese Künstlerinnen und Künstler einem breiten Publikum zugänglich zu machen.“ Es sind Fotografien, die durch ungewöhnliche Perspektiven und persönliche Nähe beeindrucken, darunter Porträts des Malers Wolfgang Hutter oder der Textilkünstlerin Johanna Schidlo.

Fritz Wotruba in seinem Atelier im April 1952
Fritz Wotruba in seinem Atelier im April 1952 © Yoichi Okamoto

Der Titel der Ausstellung „Bild Macht Politik“ lässt sich aber vor allem auf jene Tätigkeit anwenden, die Yoichi Okamoto nach seiner Rückkehr in die USA ausübte: Er wurde offizieller Fotograf des Weißen Hauses unter Lyndon B. Johnson. Okamotos Bedingung: uneingeschränkter Zugang zum Präsidenten in nahezu allen Lebenslagen. Dass man ihm das gewährte, brachte ihm den Spitznamen LBJs Schatten ein. Es sind Fotografien, die neben staatstragenden Ereignissen auch ganz private bis skurrile Ereignisse zeigen – etwa Lyndon B. Johnson frühmorgens im Bett, umgeben von seinen Beratern. Die Bilder zeigen einen unverstellten Blick auf das Leben in einer Machtposition, die in dieser Machart erst Jahrzehnte später wieder aus dem Weißen Haus in die Welt hinaus getragen wurden – als Barack Obama US-Präsident wurde.

Lyndon B. Johnson mit Martin Luther King bei der Unterzeichnung des Voting Rights Act 1965
Lyndon B. Johnson mit Martin Luther King bei der Unterzeichnung des Voting Rights Act 1965 © Yoichi Okamoto

Wenig verwunderlich, dass Pete Souza, Obamas Haus- und Hoffotograf, Okamoto als Vorbild bezeichnet hat. Diese Form der fotografischen Berichterstattung hatte Einfluss auf das öffentliche Bild Obamas, weil sie die enorme Distanz zwischen einem Amt wie diesem und den Betrachtern wesentlich verkürzt. Es ist die Wirkmächtigkeit von Fotografie, die sich durch diese Ausstellung wie ein roter Faden zieht. Das Dokumentieren und Festhalten von Macht und Ohnmacht, von Leben und Überleben. 1985 verstarb Yoichi Okamoto, die Nationalbibliothek hat nun sein Archiv gekauft. Ein Glücksfall.

Barack Obama mit seinem Fotografen Pete Souza
Barack Obama mit seinem Fotografen Pete Souza © Imago