Wir lieben Simone Weil, weil sie mit Klarheit und Präzision gedacht hat!“ – „Heldin!“ – „Nächstenliebe!“ – „Kriegerin!“ – „Simone Weil hat ihr Denken nie aufgegeben, nicht um Recht zu behalten, sondern um weiterzudenken!“ – mit Herzen, „Wows“ und Rufzeichen übersäte Kartons voller Liebesbezeugungen, Blumen und Stofftiere. Am Grazer Esperantoplatz sieht es derzeit aus wie an den Orten, an denen gewöhnlich Opfern von Gewalttaten gedacht wird: Volkstümliche Altare des Erinnerns, mit denen die Trauer und auch die Empörung über den Tod kanalisiert werden kann.
Der Schweizer Künstler Thomas Hirschhorn hat schon einige solcher Gedenkstätten aus Pappe, Lichtern und Stofftieren gestaltet, in denen er avancierte Kunst und Philosophie einer gewissermaßen neo-folkloristischen Würdigung unterzieht. Unter anderem 1997 Piet Mondrian, 2006 Ingeborg Bachmann. Nun für den steirischen herbst wählt er diese spezifische Form, um Simone Weil zu gedenken. Weil ist eine der widersprüchlichsten und radikalsten intellektuellen Figuren des 20. Jahrhunderts. Sozialistin und Mystikerin, Kämpferin und Pazifistin, tief religiös und anarchistisch, radikal und sanft.
Wobei man Weil nicht auf die Intellektuelle reduzieren kann. Die 1909 in Paris geborene Philosophin steht wie kaum jemand anders für eine enge Verknüpfung von Theorie und Praxis. Sie bleibt nicht bei der Analyse des Kapitalismus stehen, sie geht ein Jahr als ungelernte Arbeiterin in drei verschiedene Fabriken, um Leben und Leid der Werktätigen am eigenen Leib zur erfahren. Knapp später zieht sie – die davor überzeugte Pazifistin – in den Spanischen Bürgerkrieg, um in die anarchistische Kolonne Durutti einzutreten. Die schmächtige Brillenträgerin darf aber nicht an die Front, was sie so gern möchte. Sie muss in der Küche arbeiten, wo sie sich mit siedendem Öl schwer verletzt.