Die Nacht hat ihr schwarzes Kleid schon wieder abgestreift. Drinnen, im Parkhouse, bebt und quietscht noch immer der Techno-Synth, draußen zwitschern mittlerweile die Vögel. Ein älteres Ehepaar genießt zwischen Elevate-Morgentänzern den Sonntagskaffee in der Frühlingssonne. Szenen wie diese zeigen einmal mehr, wie gut der Festival-Slogan „Human Nature“ sich in die Realität einfügt.

Der morgendlichen Idylle ging eine treibend-elektrisierende Musiknacht am Samstag voraus. Okkulte Dunkelheit ließ das Super-Noise-Drone-Duo von Stephen O’Malley und Peter Rehberg, genannt KTL, im Mumuth aufziehen. Mit entfremdeten Gitarren- und Synthesizerspiel schaffen die Herren eine erdrückende Klangwolke. Der Schritt zum Jüngsten Gericht oder der Ritt mit dem apokalyptischen Reiter?

Deutlich entspannter ging es im eingangs erwähnten Parkhouse zu. Die Grazer Electronic-Kuratoren „Atropa“ präsentierten freche, allumspannende DJ-Sets, wie jenes von Lucia Kagramanyan, Moskauerin und Wahlwienerin. New Wave traf hier auf Traditionelles und Elegisches. Für die Welt übertragen wurde die Party vom berüchtigten Szene-Sender „Red Lights Radio Amsterdam“.

Gehörig auf sich aufmerksam machte im Dom im Berg auch das Wiener Duo Mieux. Festlegen wollen sich die beiden Herren, die Beats und Stimmen live programmieren, auf keinen Fall. Irgendwo zwischen verspielten Glöckchen und House haben „Mieux“ sich niedergelassen. Ein unvermutetes Highlight der Dom-Nacht wurde der Auftritt von Kelly Lee Owens. Die Londonerin, die gerne zahme, breitenwirksame Club-Hits komponiert oder für Stars wie Björk remixt, überraschte mit einem knallharten, äußert basslastigen Techno-Set, das sich am Ende in ein tropisches Jungle-Fieber verwandelte. Für die angereicherte Mischung aus Aggression und Tanzwut gibt es die Höchstnote.

Hedonismus trifft Diskurs

Es ist das Konzept, das das Elevate einzigartig macht: Dem hedonistischen nächtlichen Tanzprogramm stand tagsüber ein straffes Diskursprogramm gegenüber, zu verhandeln galt es heuer nicht weniger als die menschliche Natur und die Frage: Ist der Mensch selbst die größte Herausforderung für die Menschheit? Um das zu beantworten, lehnte man sich am Sonntag nach einer feinen Feminismus-Runde zum Weltfrauentag weit hinaus. Es ging um das Begreifen der Klimakrise als psycho-spirituelle Krise und die Notwendigkeit einer Bewusstseinsevolution – mithilfe von spirituellen Techniken, aber auch von halluzinogenen Drogen. „Es ist ein Missverständnis, dass wir alle Probleme mit unserem Verstand lösen können“, sagte etwa die brasilianische Medizinfrau Asi Rua, die die Runde mit einem meditativen Gebet ausklingen ließ.

Mit mehr als 10.000 Festivalbesuchern zieht Organisator Bernhard Steirer eine positive Bilanz: „Die Experimental-Musik war gefragter als erwartet. Die Plattform für heimische und internationale Gäste war so groß wie noch nie“.