Ballettdirektorin Beate Vollack präsentiert "Die Jahreszeiten" nach Joseph Haydn, ihre erste große Choreographie in Graz. Das umfangreiche Oratorium vergleicht das Leben des Menschen mit dem Lauf des Jahres und legt der Veränderung in der Natur die Struktur einer viersätzigen Symphonie zugrunde, der Robin Engelen mit den Grazer Philharmonikern Plastizität verlieh.

In der Koproduktion mit dem Theater St. Gallen erscheinen Frühling, Sommer, Herbst und Winter als Stationen des Museumsjahres. Ausstatter Jon Morrell hat neben charmanten Kostümen einen klassischen Museumsraum geschaffen, an dessen Seitenwänden die Porträts des Komponisten hängen. Hinter den Gemälden kommt der Chor (Einstudierung Bernhard Schneider) zum Vorschein. Die drei Vokalsolisten - bei Haydn der alte Bauer Simon (kraftvoll Neven Crnić), seine Tochter Hanne (mädchenhaft Mirella Hagen) und der junge Bauer Lukas (ideal und wortdeutlich Martin Fournier) - nehmen viele Rollen ein. Den Wandel der Stimmungen setzt das 18-köpfige Ballettensemble mit Humor und Eleganz um.

Von der Muse geküsst

Im Museum wird die Winterausstellung abgehängt und die Frühjahrsausstellung vorbereitet. Wie in Stefan Herheims Grazer Carmen von 2006 träumt sich eine Reinigungskraft in den Zauber eines Bildes - in diesem Fall erblickt man Fragonards pikante Schaukel als Riesengemälde, vor dem, in frühlingshaftes Sonnenlicht getaucht, drei Rokoko-Paare bezaubern. Aber auch ein anderer Neubeginn wird begrüßt, die plakative Revolutionskunst der Werktätigen, zu denen Haydns Landvolk hier mutiert. Im interaktiven Sommerprogramm des Museums malt Lukas selbst und wird alsbald von einer Muse im blauen Kleid (anmutig Miki Oliveira) umschwebt. Die Skulptur eines Widders evoziert eine bukolische Situation mit graziösen Schafen, die heiße Sonne lädt zu Strandspaziergang (athletisch Jacqueline Lopez) und Sommergefühl (herausragend Paulio Sóvári) ein.

Ein Ende und ein Neubeginn


Wenn im Bildnis der Lilith Weiblichkeit triumphiert, ist die Schlange (geheimnisvoll Martina Consoli) nicht weit. Unter Blüten zeigen sich Adam und Eva, bis sie das sonnige Paradies verlassen müssen. Aber der Herbst bringt auch brausenden Most und Wein, um die Lebensfreude zu erhalten. Detailreich wird das trunkene Treiben illustriert, angeführt von einem jugendlichen Bacchus (Enrique Sáez Martínez). Und schon ist wieder Zeit für schneebedeckte Berge, Gedanken über den Winter (nobel Kristin Marja Ómarsdóttir) und romantische Geschichten (charmant Philipp Imbach). Ein Skifahrer verirrt sich im Tanz putziger Schneeflocken und Haydn selbst mahnt an das Grab. Doch dabei bleibt es nicht, denn Vollacks Ballett endet zyklisch mit Frühling und Neubeginn immer der Sonne entgegen.

Der vergnügliche Spaziergang durch Stile und Epochen an der Hand eines bestens disponierten Ensembles erfreute das Publikum sichtlich. Wird auch nicht die Tiefgründigkeit von Haydns Alterswerk abgerufen und muss man manch frommen Text mit der Bereitschaft zur Ironie hören, sind doch Farben, Stimmung und Heiterkeit ausgesprochen mitreißend.