Max Zirngast ist wieder zu Hause, in der Wohnung seiner Freundin in Ankara. Seit September war der 29-jährige Journalist, der für linksgerichtete Medien schreibt, in türkischen Gefängnissen, bis zum ersten Prozesstag am 11. April darf der Steirer das Land nicht verlassen. Ihm wird vorgeworfen, Teil einer Terrororganisation zu sein.

In der Anklage wird Ihnen unter anderem der Besitz von Büchern vorgeworfen. Sie bezeichneten die Anschuldigungen als „abstruses Konstrukt“. Wie wehrt man sich gegen unkonkrete Vorwürfe?
Max Zirngast: Ja, das ist das Schwierige an der Sache. Wenn es einen konkreten Vorwurf gäbe oder wenn man tatsächlich etwas begangen hätte, dann wäre es in vielerlei Hinsicht einfacher. Ich muss auch dazu sagen, dass es nicht nur für europäische oder österreichische Verhältnisse relativ abstrus ist, sondern auch für türkische. Was durchaus ein Mitgrund sein kann, warum wir sofort enthaftet wurden. In der Türkei sind sehr viele Leute ein, zwei Jahre in Haft, und es gibt noch immer keine Anklageschriften. Drei Monate sind in der Türkei wenig, muss ich sagen.

Wenig?
Max Zirngast: Ja, das ging sehr schnell. Das kann durchaus durch Druck von außen passiert sein. Das sage ich bewusst unspezifisch, weil ich nicht weiß, welches Zusammenspiel von Faktoren letztlich den Ausschlag gegeben hat.

Sie wurden und werden auch von der Solidaritätskampagne FreeMaxZirngast unterstützt.
Max Zirngast: Ich finde es einfach unglaublich toll, dass sich so viele Menschen für mich eingesetzt haben. Das kann ich immer noch schwer nachvollziehen. Dafür möchte ich allen ganz, ganz herzlich danken.

Am 11. April beginnt der Prozess. Wie werden Sie sich verteidigen?
Max Zirngast: Es gibt ein paar konkrete Anspielungen, mehr ist es ja nicht. Es soll der Eindruck entstehen, dass wir Mitglieder einer terroristischen Organisation wären. Es war schon bisher unsere Strategie, dazu zu stehen, was wir machen, das haben wir auch nie abgestritten - und mehr gibt es nicht: Ich habe alles, wofür ich stehe, auch schon davor in meinen Artikeln geschrieben - und das ist es auch. Ich glaube, das ist durchaus eine sinnvolle Verteidigung, weil sie nicht sagt: Ich habe mit all dem nichts zu tun, weil das würde auch nicht stimmen. Ich bin natürlich in gewissem Sinne ein Oppositioneller und ich analysiere die Situation kritisch und dazu stehe ich auch. Und wenn man mich dafür verhaften oder bestrafen will, dann soll man mich dafür bestrafen. Und nicht für irgendetwas, was ich selbst für falsch befinde und womit ich auch überhaupt nichts zu tun habe.

Sie sprechen von „wir“. Wer ist mitgemeint?
Max Zirngast: Meine Mitangeklagten. Wir sind gemeinsam in dem gleichen Prozess angeklagt, nur die Details unterscheiden sich: Die Anklage ist die angebliche Mitgliedschaft in einer angeblichen Terrororganisation. Der Witz daran ist der, dass mehrmals in der Anklageschrift vom Staatsanwalt selbst betont wird, dass es keine konkreten Beweise für Gewaltanwendung und andere Kriterien einer Terrororganisation gibt.

Haben Sie sich vor Ihrer Verhaftung vorstellen können, dass Ihnen so etwas passieren könnte?
Max Zirngast: Bis zu einem gewissen Grad, ja. Man muss mit so etwas rechnen, leider. Die Möglichkeit steht immer im Raum.

Nehmen wir einen positiven Ausgang an: Es kommt nicht zum Prozess oder dieser endet mit einem Freispruch. Möchten Sie nach Österreich zurück?
Max Zirngast: Das ist eine schwierige Frage. Ich möchte, dass ich frei, ohne irgendwelche Auflagen und ohne Probleme befürchten zu müssen, sowohl in der Türkei als auch in Österreich leben könnte. Ich finde grundsätzlich, und das ist mir immer wichtig zu betonen, die Türkei ist ein wunderbares Land mit sehr vielen wunderbaren Menschen. Das ist auch der Grund, warum ich hier bin.

Ihre Erlebnisse haben diese Einschätzung nicht geändert?
Max Zirngast: Ich teile auch nicht die mittlerweile verbreitete Einschätzung, dass hier alles verloren ist und man hier nichts mehr sagen kann. Ich bin hier zwar im Gefängnis gewesen, das stimmt schon. Aber ich bin durchaus weiterhin der Meinung, dass es hier nicht ganz so furchbar ist, wie das teilweise dargestellt wird. Ich bin grundsätzlich ganz glücklich hier und das ist auch weiterhin so und hat sich durch meine Zeit im Gefängnis nicht geändert. Aber wie gesagt: Es wäre schön, diese Entscheidung frei, mit allen Optionen treffen zu können. Ob das möglich sein wird, weiß ich nicht.