Im siebenten Jahr seines Pontifikates ging Franziskus weiter den Weg des Sisyphus. Er rollte den schweren Stein, der im Magen der Kirche liegt, weiter den Berg hinauf – auch wenn dieser wieder runterkollerte. Dass die Kirche in einer fundamentalen Krise steckt, ist nicht nur in Kärnten bekannt. Missbrauch, Korruption, die Kurienreform und die Erneuerung der Kirche sind weltweite Themen, die schon lange anstehen. Hatten seine beiden Vorgänger, wie der Journalist Matthias Drobinski feststellt, im Wirrwarr der theologischen und pastoralen Entwicklungen versucht, Eindeutigkeiten durchzusetzen, „indem sie die Kirche zentralisierten und Debatten für beendet erklärten“, so stellt sich Franziskus den Fragen, die sich mit autoritären Interventionen nicht aus der Welt schaffen lassen. Die Kirche aus der Enge in eine neue Weite zu führen, stand auch 2019 auf seiner Agenda. Hier einige Höhepunkte, die dieses Ziel erkennen lassen.

Im Februar besuchte Franziskus Abu Dhabi, die Hauptstadt der Vereinigten Emirate. Prinz bin Zayid, der 2019 zum Jahr der Toleranz erklärt hatte, begrüßte den Papst, der mit Großimam al-Tayyeb, einem der größten Gelehrten der arabischen Welt, angereist war, persönlich am Flughafen. Abu Dhabi beherbergt nicht nur in seinem Louvre das weltbekannte Bildnis Leonardo da Vincis, den „Salvator Mundi“, sondern auch Tausende von Christen, die hier ihre Kirchen haben. Franziskus feierte mit 50.000 Menschen, darunter 4000 Muslime, die heilige Messe und unterzeichnete einen Meilenstein des interreligiösen Dialoges, die „Erklärung der Brüderlichkeit“. Im März versetzte Franziskus Kardinal Theodore Edgar McCarrick in den Laienstand. Der 88-Jährige hatte sich des sexuellen Missbrauchs in mehreren Fällen schuldig gemacht. Er rehabilitierte hingegen den Befreiungstheologen Ernesto Cardenal (94) und hob seine Suspendierung vom Priesteramt auf.

Zu Ostern in Rom musste er sich mit einem Text Benedikts XVI. herumschlagen, der die 68er-Bewegung für den Missbrauch in der Kirche verantwortlich machte und den Teufel persönlich ins Spiel brachte. Der Text wurde weltweit verurteilt. Im April warf sich der Papst auf den Boden und küsste die Füße der zwei zentralen politischen Kontrahenten des Südsudans, die er in den Vatikan eingeladen hatte. Das Zeichen für Frieden erschütterte den afrika nischen Krisenstaat und sorgte für weltweites Aufsehen. Im Mai besuchte er für drei Tage Rumänien. Der Patriarch des Abendlandes betete gemeinsam mit dem rumänisch-orthodoxen Patriarchen Daniel. Ein weiterer Schritt in Richtung Ökumene. Juli. Franziskus verlautbarte die Empfehlung, dass mehr jüdische und islamische Elemente in das katholische Theologiestudium aufgenommen werden müssen. Der September stand im Zeichen einer Südostafrika-Reise. Im bitterarmen Mosambik stärkte Franziskus den brüchigen Friedensprozess und machte Hoffnung. In Mauritius feierte er mit 100.000 Menschen eine Messe. Katholiken, Muslime und Hindus bestärkte er in ihrem kulturellen Zusammenleben.

Im Oktober fand die langersehnte Amazoniensynode statt. Mit seiner Strategie, an den Rand der Welt zu gehen, um die Mitte der Welt wachzurütteln, will Franziskus einen Neuaufbruch für seine Kirche in Gang setzen. Ökologie, Klima und Kritik am Raubbau an der Natur sind nicht länger als Ersatzreligion diffamierte Themen, sondern gehören ab nun fest zu einer neuen „positiven“ Theologie. Obwohl die Amazonen einst ein Volk kriegerischer Frauen waren, hat die Synode gerade für Frauen keine Siege eingefahren. Auch der offenere Zugang zum Priesteramt bleibt weiter eine offene Frage. November. Auf der Rückreise von Thailand und Japan – dort ging er den Weg der interreligiösen Begegnung weiter und verurteilte die Kernenergie als Waffe auf Schärfste – ereilte ihn die Veröffentlichung des jüngsten Finanzskandals im Vatikan. Es wurde mit dem „Peterspfennig“ Schindluder getrieben. Sisyphus lässt grüßen!

Ein weiteres Jahr dieses Pontifikates geht nun zu Ende. Der Mann aus Lateinamerika mit nur einem Lungenflügel leistet Enormes. Wenn er genug Mitkämpfer bekäme, könnte er den großen Stein, der die Lebensader der Kirche abdrückt, über die Bergspitze rollen. Hoffnung besteht. Denn im Gegensatz zu seinem Vorgänger aus der Antike macht er diesen Job nicht aus Strafe, sondern aus Berufung.