Mit dem Jahr 2019 geht eines zu Ende, das die Geschichte der Menschheit so noch nicht gesehen hat. Ein Jahr, in dem sich erstmalig Millionen von Menschen in Tausenden Städten und etwa 150 Ländern wöchentlich auf der Straße versammelt haben, um aus ein und demselben Grund zu streiken. Schon Ende letzten Jahres hat Greta Thunberg damit angefangen, für das Klima zu streiken, doch erst dieses Jahr konnte sich Fridays for Future so richtig entfalten. „Wir streiken, bis ihr handelt“, so lautet einer der Leitsprüche der Bewegung. Nach mehr als einem Jahr Streiken stellt sich also die berechtigte Frage: Hat Fridays for Future 2019 etwas erreicht? Ein einfaches Ja würde der Bewegung nicht gerecht werden, weshalb ich hier auf die vier zentralen Punkte unserer Erfolge eingehen möchte.


Erstens: Aufmerksamkeit und Bewusstseinsbildung. Mit Sicherheit der wichtigste Punkt für die gesamte Öffentlichkeit: Klimaschutz bekommt endlich Aufmerksamkeit. Es ist von einem Außenseiter-Thema zum großen Thema unserer Zeit geworden. Fridays for Future ist natürlich nicht der einzige Grund, warum das Bewusstsein der Klimakrise endlich weite Kreise der Bevölkerung erreicht hat, aber selbst die größten Schulstreik-Kritiker*innen müssen sich eingestehen, dass die Vehemenz der Schüler*innen maßgeblich dazu beigetragen hat. (Selbst-)Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung, besagt schon eine alte Weisheit, und wenn man dieser Glauben schenken darf, fängt so alles an. Weite Teile unserer Gesellschaft haben sich die Realität eingestanden. Klimaschutz wird am Esstisch, am Bauernmarkt und in den Medien besprochen. Und jetzt wird gehandelt. So sollte es gehen. Und weil die Zivilgesellschaft ihre Stimme erhebt und in Bewegung kommt, bewegt sich auch die Politik. Möchte man zumindest meinen.


Zweitens: Klimaschutz im Zentrum des politischen Diskurses. Spät, aber doch. Der Klimaschutz hat es in die Politik und auf fast alle Wahlplakate geschafft. So manche Klimaaktivist*innen ärgert das, denn wer Klimaschutz mit dem Argument „Jo, müss ma halt amal regional essen, gell?“ begründet, hat ganz eindeutig nicht verstanden, wie ernst die Lage ist. Dennoch gilt: Unabhängig davon, ob alle Politiker*innen das Thema tatsächlich ernst nehmen – Klimaschutz ist in den Bezirksräten, Landtagen, auf Bundes- und Europaebene angekommen. Den Beweis dafür, dass das Thema einen wahlentscheidenden Stellenwert erreicht hat, liefern die Ergebnisse der Landtagswahl, der Nationalratswahl und auch der Europawahl. Endlich ist das Thema groß, es ist nationenübergreifend und erstmalig auch gesellschaftsübergreifend!


Drittens: Klimaschutz in allen gesellschaftlichen Bereichen. Klimaaktivismus ist mittlerweile überall angekommen, nicht nur bei Schüler*innen. Mittlerweile gibt es Scientists for Future, die uns Junge mit Fakten stützen und auch selbst extrem große und starke Aktionen planen. Es gibt Parents for Future, Entrepreneurs for Future, Artists for Future. Es gibt Kinder und Großeltern, Rastazöpfe und Glatzköpfe, Leinenhosen- und Sakko-Träger, Anarchisten neben Konservativen und Gläubige neben Atheisten. Dort, wo es Menschen gibt, gibt es Klimaaktivismus. Und so vielfältig und unterschiedlich wie unsere Haltungen und Meinungen sind auch unsere Handlungsmöglichkeiten. Es ist genau diese Diversität, diese gesellschaftliche Breite, die vielleicht die größte Stärke der „Fridays for Future“-Bewegung ist. Alle sind willkommen, sich uns anzuschließen!


Viertens: extrem gute Vernetzung und Ausdauer. Man sieht es an der gleichen Schriftart, die alle „Fridays for Future“-Gruppen nutzen; spüren tut man es auf jedem Streik und bei jedem Treffen: die unglaubliche starke Vernetzung und Ausdauerkraft der Aktivist*innen. Auch wenn Untergruppen geografisch weit verteilt sind, im Grunde sind sie sich extrem nahe. Gegenseitig gibt man sich Tipps, Kraft und Ideen. Dass Ausdauer in dieser Bewegung steckt, wurde spätestens über den Sommer bewiesen. Fridays for Future ist so breit und das Thema so wichtig, wir verschwinden nicht so einfach über die Sommerferien, wie das im Frühjahr alle befürchtet haben. Ganz im Gegenteil, wir sind gewachsen. Und wir wachsen noch immer. In Graz, aber auch auf der ganzen Welt.


Das alles und noch viel mehr hat Fridays for Future also im letzten Jahr erreicht. Schön, oder? Na ja, geht so. Denn 2019 wird der weltweite Treibhausgas-Ausstoß so hoch gewesen sein wie noch nie. Das Eis schmilzt immer schneller, Wälder brennen, Umweltkatastrophen häufen sich – und trotzdem arbeiten umweltschädliche Kohlekraftwerke weiter. Ja, in der politischen Debatte ist das Thema vielleicht angekommen, aber wo sind die versprochenen Taten der Politiker*innen, wo ist endlich der verlangte Wandel? Tagtäglich zerbrechen sich Aktivist*innen den Kopf, wie sie die Welt verändern können, stellen konkrete Forderungen und demonstrieren jede Woche. Als Antwort wird uns in Österreich ein „Klimaplan“ entgegengeworfen, den man eher eine Provokation nennen sollte. Als Antwort steigen die USA aus dem Pariser Klimaabkommen aus, und in Brasilien brennt man Rekordmengen an Regenwald nieder. Immerhin rufen immer mehr Länder und Unionen den Klimanotstand aus. Aber etwas zu benennen und über etwas zu diskutieren, verringert leider noch immer nicht den CO2-Ausstoß. Jetzt braucht es Veränderung.
Es gibt also noch viel zu tun. Für uns alle. Trotzdem gibt es gute Neuigkeiten. Mit 2020 fängt ein neues Jahr für unsere Bewegung an. Ein ganzes weiteres Jahr, das uns die Möglichkeit gibt, die Klimakrise einzudämmen, Leute zu bewegen, Bäume zu pflanzen. Zu handeln. Die Klimaschutzbewegung – und damit meine ich nicht nur Fridays for Future, sondern alle Klimaaktivist*innen der Welt – ist in kurzer Zeit so groß, so breit und so stark geworden, dass Klimaleugner*innen wohl befürchten, sie wird gar nicht mehr aufhören. Und obwohl Klimaleugner*innen eher selten recht haben, haben sie es diesmal. Denn wir werden nicht mehr aufhören. Wir haben gerade erst angefangen.