75 Millionen verkauften Platten, den Absprung vom Boyband-Mitglied zum Solokünstler geschafft, und auch sonst hat er verlässlich dafür gesorgt, dass das Pop-Universum über viele Jahre ganz passabel schillern konnte. Da müsste, da könnte, da sollte man doch vielleicht glücklich und zufrieden dem herannahenden 50er entgegenschauen. Wäre man nicht Robbie Williams, wäre das wohl eine Option. Nur für Robbie nicht, denn reale Umsetzung des theoretischen Konstrukts Popstar – talentiert, goschert, mit ausgeprägtem Hang zum Höher, Schneller, Weiter – hat ein Problem: die panische Angst vor dem Absturz. Zumindest bettet er sich in seinem eigenen Schlafzimmer weich, wenn es darum geht, rund 30 Stunden Videomaterial aus den letzten Jahrzehnten seiner Karriere zu kommentieren.

Auf vier Folgen zu je rund einer Stunde hat Regisseur Joe Pearlman diese emotionale Selbstkommentierung verdichtet. Und er liefert sozusagen das Gegenstück zu „Beckham“, eine Nabelschau des Promi-Paares, die derzeit ebenso auf Netflix zu sehen ist. Letztere haben sich ganz offenbar die Grundeigenschaften von Styropor zu eigen gemacht: Immer obenauf schwimmen, das Ungemach an sich abprallen lassen und am Roten Teppich die Leichtigkeit zu zelebrieren. Robbie Williams kann und konnte das alles nie, wie die Doku-Reihe ziemlich eindringlich zeigt.

Es ist die Antwort auf die Fragen, die „Die Sterne“ schon 1996 gestellt haben: „Wo fing das an, was ist passiert? Was hat dich bloß so ruiniert? Was hat dich bloß so ruiniert?“ Der frühe Ruhm, deren lange Schatten bis ins Heute offenbar immer noch länger werden, hat seinen Anteil daran. Das ergibt eine toxische Mischung aus Absturz und Aufstieg gepaart mit Drogen, kommentiert von einer unerbittlichen britischen Presse, die bekanntlich punktgenau weiß, wo die offenen Flanken leuchten. Kein Erfolg, war er noch so groß, konnte hier als Pflaster entgegenwirken. Dieses dicke Fell, mit dem die beiden Gallagher-Brüder schon auf die Welt gekommen sind, hat sich Williams nie zugelegt.

Robbie Williams
Robbie Williams © Netflix

Mit dem Wissen ist der Vierteiler als Seelenstriptease angelegt und folgt einer ganzen Reihe von Star-Dokus, die in den letzten Jahren vor allem auch auf Netflix erschienen sind. Sie alle eint der intensive Blick auf die Biografien, der Fokus auf Ausnahmezustände und Abstürze. Schlecht schaut man als Promi dabei nie aus. Pearlman und Williams gehen hier einen Schritt weiter und zelebrieren gleich den absoluten Ausnahmezustand. Bis an die Schmerzgrenze werden hier Angstzustände ausgeleuchtet, die sich perfide dann einschleichen, wenn man noch im Rampenlicht steht.

Über den Kipppunkt ist Williams noch nicht drüber, wird er wohl auch nicht: „The Worst Is Yet to Come“ („Das Schlimmste kommt erst noch“), sagt er in Folge drei. Und man erahnt, was er damit meint: Ein Popstar zu sein, dessen Bühnen über die Jahre kleiner werden.

Bewertung: ★ ★ ★ ☆ ☆ (3/5)

„Robbie Williams“ ist auf Netflix zu sehen.