Schlamm, nasse Zelte, null Privatsphäre, Lärm und sehr wenig Schlaf. Was nicht nach Spaß klingt, sind in Wahrheit nur die Nebenerscheinungen eines Phänomens, das nach zwei Jahren Pandemie nun wieder zurückkommt. Und offenbar stärker als je zuvor: Das Nova Rock ist das erste große Festival auf heimischen Boden. Und auch wenn dieser Boden sich regenbedingt am Eröffnungstag langsam auflöste, steuert man im Burgenland auf einen Besucherrekord zu: Insgesamt 225.000 Gäste an vier Nova-Rock-Tagen werden erwartet.
Dass das Festival seit gestern restlos ausverkauft ist, ist so etwas wie das vorläufig glückliche Ende einer zweijährigen Durststrecke. Die Pandemie hat den Pop-Bereich massiv getroffen. In Österreich heißt der Platzhirsch Barracuda, der nicht nur das Nova Rock, sondern auch das Frequency und viele andere große Events veranstaltet. Barracuda-Geschäftsführer Ewald Tatar wurde zu einem der prominentesten und hartnäckigsten Kritiker der Regierungspolitik. Immer wieder monierte der Manager die Entscheidungsschwäche der Coronapolitik: „Mehr Rückgrat und nicht nur diese taktisch-nervige Wischi-Waschi-Politik betreiben“, war eine der vielen Aussagen, die Tatar auch zum medialen Sprachrohr gemacht haben.
Veranstalter von der Commerzialbank fast in den Abgrund gerissen
Dabei hatte Barracuda nicht nur pandemiebedingt zu kämpfen. Der Skandal um die Mattersburger Commerzialbank riss ein Loch von 34 Millionen Euro ins Budget. Barracuda konnte weitermachen, weil Mutterkonzern CTS Eventim im Juli 2020 beisprang. Der Konzern hatte bereits Anfang 2020 71 Prozent des Unternehmens gekauft. CTS Eventim mit Sitz in München ist ein in mehr als 20 Ländern operierender Ticketing-Dienstleister und Vermarkter von Großveranstaltungen. Vor der Pandemie lag der Umsatz bei 1,4 Milliarden, seit der Übernahme von Barracuda beherrscht man auch hierzulande den Markt. Nicht nur dieser finanzielle Background, sondern auch die Hartnäckigkeit zeigten die Corona-Resilienz von Barracuda: Im September 2021 veranstaltete man eine Sparvariante des Nova Rock, samt wissenschaftlicher Begleitung und Monitoring. Bei 15.000 Besuchern meldete man zwei positive Tests und eine Erkrankung.
Das ist seit dieser Woche Schnee von gestern. „Es ist wie früher und das ist einfach schön“, sagte Tatar knapp vor dem Nova Rock. Zwar wurden die ursprünglich angekündigten Foo Fighters wieder abgesagt, aber mit Muse, Placebo, Korn, Måneskin, Volbeat, Deichkind usw. (siehe rechts) hat das erste post-pandemische Festival in Nickelsdorf ein extrem populäres Programm zu bieten.
Eine der großen Fragen der Pandemie scheint damit beantwortet. Während in anderen Kunstbereichen das Publikum noch durchaus zurückhaltend agiert, scheint der Appetit auf Großevents groß wie nie zuvor sein. Der Festivalsommer wird zeigen, ob weitere Rekorde purzeln. Und der Befund, dass Corona für einen Schwenk zu digitaler Kultur sorge, dürfte sich endgültig als falsch erweisen. Die Pop- und Rock-Branche kann es brauchen: Seit dem Zusammenbruch der Tonträger-Industrie sind Konzerte die Haupteinnahmequelle geworden.