Auf "Hell" folgt "Dunkel": Rund elf Monate nach dem ersten Album von Die Ärzte seit acht Jahren erscheint am 24. September eine weitere Studioarbeit der "besten Band der Welt aus Berlin". Diese sei "noch ein bisschen rockiger ausgefallen", attestierte Gitarrist und Sänger Farin Urlaub im Interview mit der Austria Presse Agentur. Der wieder gewonnene Spaß an der Zusammenarbeit hat das Trio beflügelt. Unterschiedlicher Meinung darf man aber sein: "Our Bass Player Hates This Song" heißt daher ein Track.
Die Ärzte widmen sich auf "Dunkel" einer Vielzahl an Themen, verpackt in Punklieder, die Ausflüge in andere Genres nicht scheuen. "Wir fühlen uns in vielen Stilen wohl", sagte dazu Urlaub. In den Anfangstagen der Gruppe, in den Achtzigern, sei das noch "eingeschränkter" gewesen. "Schon allein wegen unserer damals noch mangelnden Spielfertigkeiten. Da haben wir immer nur Punk, Ska oder Rockabilly gespielt. Jetzt gibt's noch ein paar andere Stilrichtungen, die wir gerne zitieren oder mal einbauen oder beklauen", lachte der Musiker.
Der berühmt-berüchtigte Ärzte-Humor fehlt nicht auf "Dunkel". Aber bei manchen Themen hört sich der Spaß auf - etwa bei der Frage, ob man mit Nazis überhaupt reden soll. "Doof" heißt ein Song aus der Feder von Schlagzeuger/Sänger Bela B, der sich damit auseinandersetzt. "Wir vertreten nicht die Meinung, dass alle Nazis doof sind", betonte Urlaub. "Weil das wäre ja schön einfach! Es gibt natürlich auch sehr schlaue Vordenker. Aber ich finde, die Aussage 'doof bleibt doof' gut auf den Punkt gebracht. Worüber willst du mit einem Faschisten reden? Wenn man so verrannt ist in eine Ideologie oder solche Minderwertigkeitskomplexe hat, dass man die eigene Rasse künstlich aufwerten muss, weil man sonst Angst hat, gar nichts mehr im Leben zu haben - worüber willst du mit so jemandem ernsthaft reden?"
"Einschlag" wiederum behandelt ein auch in Österreich allzu aktuelles Thema: den Femizid. "Das ist auf der ganzen Welt ein Riesenproblem. Die Gesellschaft nimmt das hin und sagt: 'Das ist schade, und das ist nicht gut.' Aber man muss da viel, viel mehr dagegen tun", forderte Urlaub. "Man muss sich auch als Mann diesem Thema stellen. Bela hat den Text mit einer Feministin abgesprochen. Die meinte, es ist wichtig, dass eine Band wie Die Ärzte einen solchen Song macht. Weil wir vielleicht auch Leute sensibilisieren, die Feministinnen nicht erreichen."
Dann wäre da noch der letzte Beitrag auf dem Album, das Lied, das Bassist Rod González laut Titel angeblich hasst. Urlaub wirbt mit dem von ihm verfassten Text des Stücks für die Demokratie und fordert zum Urnengang auf. "Rod sagte, das können wir nicht machen!", erzählte der 57-Jährige. "Wir können uns nicht als Punkband hinstellen und sagen: Leute, geht wählen! Das sei wie die 'Sendung mit der Maus'. Das fand Rod richtig schlimm. Aber wenn wir's nicht sagen, dann sagt's wieder niemand. In Weißrussland demonstrieren Leute für Demokratie und Freiheit, auf die Gefahr hin, dass sie erschossen, zusammengeschlagen oder eingesperrt werden. Und bei uns hast du Leute, die jammern: 'Oh, wir leben in einer Diktatur und ich muss einen Mund-Nasen-Schutz tragen, wie schlimm, wie schlimm.' Das Demokratieverständnis bei uns ist offenbar nicht ausgeprägt genug. Viele denken, diese Freiheiten, die wir haben, die sind halt irgendwie da, da muss man gar nix dafür tun. Das stört mich. Das wollte ich in ein - zugegeben ziemlich einfaches - Lied packen."
Zurück zur Musik: Das Klima zwischen den Mitgliedern der Berliner Band war in den vergangenen Jahren etwas abgekühlt, bei der Produktion von "Hell" stieg die Stimmungstemperatur wieder: "Wir hatten so viel Spaß im Studio", bestätigte Urlaub. "Nach den Streitereien und der schlechten Laune war das total schön, dass es uns zusammen wieder gut geht. Das macht einfach Freude." Und als man dann feststellte, wie viele Songs zur Verfügung standen, wollten Die Ärzte zwei Alben gleichzeitig rausbringen. "Dann kam Corona, und alles wurde anders", so der Musiker. "Also haben wir gesagt: 'Ok, machen wir zuerst ein Album und ein zweites ungefähr ein Jahr danach.' Jetzt ist es etwas weniger als ein Jahr geworden, und wir sind sehr happy."
Nichts wird es unterdessen mit der für Ende des Jahres geplanten Tour der Band, die sie auch nach Österreich geführt hätte. Wie die Ärzte mitteilten, habe man sich "nach langen Kämpfen, ausführlichen Diskussionen und Abwägen aller uns bekannten Fakten" zur Absage der "In The Ä Tonight"-Tournee entschlossen. "Heute ist ein schwarzer Tag", so die Gruppe. "Leider ist eine so große Tour wie die von uns geplante mit derart viel Unsicherheit der Genehmigungslage nicht durchführbar." Bereits gekaufte Tickets sollen zurückerstattet werden, darunter auch für die am 17. und 18. Dezember in der Wiener Stadthalle angesetzten Gigs. Einen Ersatztermin gibt es unterdessen nur für den am Auftritt in Bad Hofgastein: Statt am 11. Dezember soll dieser nun am 2. April 2022 über die Bühne gehen.
Wolfgang Hauptmann/APA