Überraschung! Wieso haben Sie ein Jazzalbum gemacht?
SVEN REGENER: Ich musste schon vor mehreren Jahren feststellen, dass ich meinen Draht zur Jazzmusik verloren habe. Zur Trompete bin ich einst gekommen, weil ich eigentlich Jazz machen wollte, und als ich Anfang der 80er-Jahre nach Berlin kam, war das auch noch so. Ich bin damals in einer Band gelandet, die Zatopek hieß, ziemlich jazzaffin war und viele Bläser brauchte. Mit der Band machte ich meine erste Platte, aber dann rutschte ich irgendwie in den Rock ’n’ Roll, weil mich das Songschreiben mehr interessierte. Dann kam es eben zu Element of Crime, und ich war aus dem Jazz-Ding draußen. Als dann 2012 mein alter Trompetenlehrer in Bremen starb, wurde ich von einigen Jazzmusikern eingeladen, beim Begräbnis mitzuspielen. Ich spielte ein bisschen, war aber nicht besonders gut. Das war aber der Impuls, mich wieder mit Jazz zu beschäftigen und etwas auszuprobieren.
Ekki Busch, Richard Pappik und Sie sind ja nicht gerade ausgewiesene Jazzmusiker. Welches Publikum wollen Sie damit erreichen?
Also, meine Erfahrung aus 40 Jahren Kulturindustrie rät mir, mir darüber keine Gedanken zu machen. Auf keinen Fall würde ich jetzt damit anfangen, Element of Crime dafür in Geiselhaft zu nehmen. Man macht das, was man gerne macht und man gut findet. Dann wird es Leute geben, die das mögen.
Wann haben Sie gemerkt, dass das Trio Regener/Pappik/Busch mehr als ein Hobby wird?
Das entscheidende Erlebnis, bei dem wir merkten, dass es darüber hinausgeht, war, als da plötzlich ein ganz spezieller Sound kam, der uns sehr liegt. Und der dem Repertoire, mit dem wir uns hier beschäftigen, auch einen ganz speziellen Charakter gibt. Deshalb wollte ich dabei auch nie singen, sondern nur Trompete spielen. Da fing es dann an, sich als Regener/Pappik/Busch zu verfestigen.
In den zwölf Standards interveniert die Improvisation nicht zwingend. Es geht Ihnen also mehr um die Songs an sich?
Ja, natürlich, das ist das Eine, dass wir an die Idee des Stückes selbst ganz nahe rangehen. Dass Improvisation keine Rolle spielt, würde ich nicht ganz sagen, sie hat eher den Charakter von Miniaturen. Wir kommen eben aus der Rockmusik, die sehr songorientiert ist und das Kompakte bevorzugt. Der frühe Jazz machte das ja auch so, weil die damaligen Tonträger nur kurze Stücke zuließen.
Sie setzen die Trompete eher gesangsmäßig ein und haben einen recht dreckigen, fast New-Orleans-mäßigen Sound. Welche Trompeter waren denn für Sie maßgeblich?
Na ja, das ist schon richtig beobachtet, aber man muss das trotzdem auseinanderhalten. Mit der Trompete fing ich als Jugendlicher an, weil ich einerseits ein großer Fan von Louis Armstrong war. Zum anderen begeisterte mich die mexikanische Musik mit diesem Melange-Sound mit zwei Trompeten und Geigen. Später, als ich dann schon mit Jazz zu tun hatte, waren dann auch die üblichen Verdächtigen dabei, also Miles Davis und später vor allem dieses Wilde von Lester Bowie. Als Trompeter hat man aber auf den eigenen Sound weniger Einfluss, als man denkt. Letztlich ist der Klang nämlich so direkt und unmittelbar mit der Person verbunden, so unwillkürlich, dass man eigentlich kaum eine Wahl hat. Man hat den Sound, den man hat.
Was gibt es von der Front von Element of Crime Neues? Waren Sie während der Lockdowns vielleicht im Studio?
Nein, das nicht, wir mussten einfach nur alle Konzerte vom letzten Jahr in dieses verschieben und hoffen nun, dass wir wenigstens ein paar davon spielen können. Die Termine stehen alle, die Tour geht am 20. Juni beim Open Air in Kiel los. Und es gibt ein paar Konzerte, die jetzt extra neu angesetzt worden sind unter diesen Corona-Vorgaben, das ist ganz gut. Und dann gibt es diese sogenannten Strandkorbkonzerte, die sind so organisiert, dass man die aktuelle Lage in der Gegend von vornherein berücksichtigen kann.
Sie sind Rockmusiker, aktuell Jazzmusiker, Schriftsteller und Drehbuchautor. Wo haben Sie denn Ihre geheime künstlerische Herzensbaustelle?
Das Herzblut steckt eigentlich immer in dem, was ich gerade mache. Vor die Wahl gestellt, würde ich aber sagen, ohne Musik wäre es am schwersten. Also das mit den Songs ist schon das, wo das Herz am tiefsten drinsteckt. Vielleicht macht das einen ja verdächtig, wenn man so viele Dinge macht, man wirkt ein bisschen wie ein Hans Dampf in allen Gassen.
Wie geht es Herrn Lehmann respektive der Schriftstellerei?
Ich habe einen neuen Roman geschrieben, „Die Glitterschnitter“, der kommt im September. Das Buch schließt an „Wiener Straße“ an und spielt in den frühen 80er-Jahren.
Otmar Klammer