Was für ein würdiger Auftakt des diesjährigen "springfestivals", was für ein hochintensives Gänsehaut-Konzert, was für eine vielschichtige Ausnahmekünstlerin! Die Steirerin Anja Plaschg, inzwischen auch international hochgeschätzt und -geachtet, lieferte Mittwoch abend auf der Kasematten-Bühne bei schwülem Sommerwetter (der Regen hatte sich kurz zuvor verzogen) einen Auftritt, der einschlug wie ein Blitz. Im Zuge eines zweistündigen Konzertes bewies die 28Jährige einmal mehr, dass das billige Klischee der singenden "Schmerzensfrau" viel zu kurz greift.

Die Musikerin, begleitet von einer fulminanten siebenköpfigen Band (vier Frauen, drei Männer), betrat ganz in weiß die Bühne, nur die "Soap&Skin"-Band war schwarz gekleidet. Was folgte, war eine faszinierende Symbiose aus Elektronik, "echten" Instrumenten und einer Stimme, die zwischen Flüstern und Aufschrei alle Schattierungen des Lebens in sich trägt.

Ungeteilte Aufmerksamkeit

Auch wenn Kritiker oft das Gegenteil behaupten: Plaschg zelebriert ihre Kunst ohne Manierismus und effektheischende Anbiederung, ihr Fundament ist kompromisslose künstlerische Ehrlichkeit. Songs von ihrem aktuellen Album "From Gas to Solid (you are my friend)", Material von den beiden Vorgängeralben und insgesamt sieben Coverversionen - von "Apparat" bis "Velvet Underground" - standen auf dem Programm. Die Musik von Plaschg verdient ungeteilte Aufmerksamkeit - die sie auch von ihren Zuhörern einfordert. Den Song "Voyage, voyage" unterbricht die Musikerin gleich zwei Mal und verlangt Stille - völlig zu Recht. Die vielen lärmenden, respektlosen Schwätzer im Publikum wären in einem Biergarten besser aufgehoben.

Meist sitzt Plaschg am Klavier, für einige Songs steht sie vor dem Mikrofon. Verloren zunächst, dann voll leidenschaftlicher Entschlossenheit. Der elektrisierende Block mit "Me and the Devil Blues" (Robert Johnson), "Mawal Jamar" (Omar Souleyman) und "Gods and Monsters" (Lana Del Rey) ist ein tosender und tobender Emotionshöhepunkt des Abends.

Wut, Trauer, die Überwindung davon, das Weiterleben, das Suchen und Finden des Schönen inmitten der Verzweiflung - all das und noch viel mehr ist in der Plaschg-Musik enthalten. Und dass der Abend mit dem Song "What a wonderful World" ausklingt, ist kein Zynismus - sondern überaus schlüssig. Was für ein wunderbares Erlebnis.