Wenn sich ein alter Meister verabschiedet, kommen seine alten Jünger verlässlich zum Lebewohl. Und wenn sich wie Mittwochabend mit Elton John eine Rocklegende zum Adieu in der Wiener Stadthalle angesagt hat, ist der Laden voll. Denn auch wenn für den 72-Jährigen das Motto "I'm Still Standing" gilt, verabschiedet er sich doch in die Poppension. Das ist eben der Circle of Life.

Mit über 350 Millionen verkauften Platten hat man zum Kürzertreten wohl auch alles Recht. Ein leises Servus wurde das Farewell am heutigen Abend aber definitiv nicht. Da zeigte eine erfahrene Altherrenpartie den Jungen, was eine Harke ist und wie man auf vermeintlich gepflegten Rock stets noch eine Schippe drauflegt, bevor Routine entsteht.

Ein Abend unter Freunden

Die Brillen sind noch die gleichen, die schon vor geraumer Zeit implantierten Haare ebenfalls. Nur der anfängliche Frack fällt mit bestickten Rosen auf der Front und Glitzerrücken mit Silbernaht fast ein bischen dezent für John-Verhältnisse aus. Wirklich cool war Elton John aber eh nie. Wirklich uncool jedoch auch nicht. So gestaltet sich der Abend als liebenswerter Treff alter Freunde, die es noch mal krachen lassen, bevor sich der eine ins Altenheim zurückzieht. "Das wird das letzte Mal sein, dass wir in Wien auftreten. Deshalb wollen wir Euch so viel Spaß wie möglich bereiten", gab Elton John anfangs als Motto aus. Ziel erfüllt.

Selbstredend verteilt sich die in Summe erstaunliche Kohorte an Welthits des Briten über den Abend, von "Candle in the Wind" über "Crocodile Rocke" bis zu "Sad Songs". Aber zugleich nutzt Elton John seinen Abschied auch für persönliche Preziosen einer langen Karriere. Im unbestreitbaren Zentrum steht oder besser sitzt dabei stets er selbst am Flügel. Die Stimme des 72-Jährigen ist seit einer Kehlkopfoperation in den 1980ern rauer geworden, brüchiger, dreckiger - was den Songs zweifelsohne gut tut.

Auch der seit 1999 arbeitende Herzschrittmacher macht seine Sache gut. Dieser Rocket Man mag mit einer Rakete unterwegs sein, die schon etwas in die Jahre gekommen ist, die aber funktioniert wie eine Eins. Auch die Mitglieder seiner Band können sich noch persönlich an die Zeit erinnern, als Queen Elizabeth noch als Jungspund auf dem Thron galt. Spompanadeln wie bei vielen jüngeren Kollegen gibt es bei den Altmeistern aber nicht: Beinahe auf die Minute pünktlich wird begonnen - und dann wird bis auf ein kurzes Umziehen drei Stunden durchgespielt.

Wie ein halbierter Gitarrenkörper ergießt sich die Bühne in die Stadthalle. Auf reale Tänzer verzichtet der Rocker dabei, stattdessen wird der Bühnenhintergrund mit assoziativen Videos, kleinen Animationen bespielt. Bunt ist das Ganze, gefeiert wird die Vielfalt der Hautfarben und Altersstufen, der sexuellen und politischen Identitäten. Elton John war immer auch das Viel, das Mehr, das Spiel mit dem Geschmack. Und das hält er bis zum Schluss durch, wenn er mit dem Aufzug in der Leinwand verschwindet.

Ein Fest der Vielfalt

So enden über 50 Jahre Tourgeschichte - zumindest für Wien, wenn man vom morgigen Zusatzkonzert einmal absieht. Und so schnell ist global gesehen ohnedies nicht Schluss - ist die im Vorjahr gestartete Farewell-Tour doch auf drei Jahre mit 300 Konzerten angelegt. Danach will Elton John sich primär um seine beiden Kinder kümmern, die heute 8 und 6 Jahre alt sind. Fad wird dem Rockpensionär also nicht werden.