Für ein Duett war Bryan Adams schon immer zu haben. Mit Tina Turner schmetterte er "It's Only Love" oder mit Spice Girl Melanie C sang er "When You're Gone". Auf seinem neuen Album hat der 59-Jährige wieder eine prominente Gesangspartnerin: Jennifer Lopez singt mit ihm "That's How Strong Our Love Is", eine lässige Ballade. Auch sonst ist "Shine A Light" eine überraschend coole Platte geworden.
Das britische Magazin "Classic Rock" unterstellte Bryan Adams vor Jahren, es würde nur noch "Musik für Dinner-Parties" machen. Dann schrieb er auch noch ein Musical. Dass der Grammy-Gewinner etwas seicht geworden war, stimmt wohl. Seinem Erfolg und seiner Popularität hat das jedoch nicht geschadet. Und jetzt, im Jahr seines 60. Geburtstags, hat der Kanadier offensichtlich wieder Gefallen gefunden am klassischen Rocksound - und sich dabei auch vom klassischen amerikanischen Rock'n'Roll inspirieren lassen. "Part Friday Night, Part Sunday Morning" und "Driving Under The Influence Of Love" sind schmissige Gute-Laune-Rocker mit Gitarren und Klavier, die auch zu Bruce Springsteen passen würden.
"All Or Nothing" startet mit echten AC/DC-Riffs und hätte sich dank des eingängigen Refrains selbst auf Adams' Kultalbum "Reckless" zwischen Klassikern wie "Run To You", "Somebody" oder dem unvermeidlichen "Summer Of '69" nicht verstecken müssen. In den 80ern Jahren schüttelte der Kanadier einen Kracher nach dem anderen aus dem Ärmel - Songs, die bis heute im Radio laufen, auf Partys für heisere Kehlen sorgen und selbst die spießigsten Gäste nach dem zweiten Bier zur Luftgitarre greifen lassen.
Zudem steuerte Adams mit "(Everything I Do) I Do It for You" auch noch den Welthit zu Kevin Costners Kassenschlager "Robin Hood - König der Diebe" bei. Dann wurde seine Musik etwas seichter mit Schnulzen wie "Let's Make A Night To Remember", dem viel zu elektronischen "Cloud Number 9" oder einen Duett mit Barbra Streisand. Adams' langjähriger Leadgitarrist Keith Scott hatte zwischenzeitlich etwas weniger zu tun. Doch das hat auf "Shine A Light" ein Ende.
Die meisten der neuen Songs sind kernig, erdig, rockig, dynamisch - und manchmal erstaunlich kurz. "No Time For Love" ist gerade mal zwei Minuten lang. Ganz frei von Kitsch ist auch "Shine A Light" nicht. "Talk To Me" und "Don't Look Back" sind stilistisch nah an den Hits, die in den 1990ern und 2000ern ständig im Radio zu hören waren, wenn man eigentlich lieber nochmal "Run To You" gehört hätte. "I Could Get Used To This" klingt hingegen wie ein Britpop-Versuch, dauert aber auch nicht mal zwei Minuten. Die drei Lieder sind leichte Schwächen des Albums. Es überwiegen die Ohrwürmer.
Der Titelsong, den Adams zusammen mit Superstar Ed Sheeran ("Shape Of You") geschrieben hat, ist so einer. Oder das äußerst tanzbare "The Last Night On Earth". "Küss mich, als wäre es die letzte Nacht auf der Erde", singt Adams da. Die Texte sind einfach, aber charmant. Und sie eignen sich gut zum Mitsingen. Der entspannt wirkende Adams, der zuletzt 2017 in Graz aufgetreten ist, schließt sein Album mit einer hervorragenden Adaption des Rockklassikers "Whiskey In The Jar", ursprünglich ein Folksong, der in einer gitarrenlastigen Version erst von Thin Lizzy und später von Metallica populär gemacht wurde. Statt der markanten Gitarren setzt Adams allerdings auf Mundharmonika. Seine rauchige Stimme passt perfekt zu der Kultnummer.
Viele Songs auf "Shine A Light" haben das Potenzial zur Single. In den 90er Jahren wäre Bryan Adams damit wohl Dauergast im Radio gewesen. Aber die Poplandschaft um ihn herum hat sich verändert. Neben Ariana Grande, Cardi B oder Calvin Harris wirkt Adams heute etwas altmodisch - das allerdings im positiven Sinne und vermutlich auch ganz bewusst. Der Erfolg: Mit "Shine A Light" hat der Sänger und Songwriter sein bestes Album seit 15 Jahren aufgenommen.
Philip Dethlefs