Mit den Fantastischen Vier hat es angefangen, mit den Fantastischen Vier hat es auch geendet. Mit der Einstellung des deutschen Popsenders Viva endete zu Silvester eine Ära - der allerletzte Song war auch der erste, der 1993 auf Viva lief: „Zu geil für diese Welt“ vom dritten Fanta-Album „Die 4. Dimension“ (1993). Ein Vierteljahrhundert später haben die Deutschrap-Pioniere 2018 ihr zehntes Album „Captain Fantastic“ veröffentlicht, mit dem sie jetzt live unterwegs sind - wie heute, am 9. Jänner, in der Wiener Stadthalle, am 19. Jänner bei „Sound & Snow“ in Bad Gastein und am 15. Juni in Graz. Davor erwischten wir Thomas D. zu Hause am Telefon, als er sich nach einem Hundespaziergang eine Tasse seines eigens für ihn kreierten „Espresso D“ gebrüht hat („Mit Sojamilch und dann schütt ich Vanillesirup rein und mach den Geschmack kaputt“).
„Captain Fantastic“ hob im April ab, seit Dezember performen Sie das neue Album live. Wie hat es sich im Langzeittest bewährt?
THOMAS D.: Wir sind ganz stolz darauf, nach wie vor. Mit „Zusammen“ haben wir auch einen unserer größten Hits drauf - das wird ja gespielt, bis der Arzt kommt. Auf der Wintertour spielen wir mindestens acht Stücke vom neuen Album. Wir haben die Platte auch gemacht, damit wir live rocken können.
In Popkrisen-Zeiten wie diesen eine Notwendigkeit?
Nöhm. Sagen wir so: Wir haben kürzlich eruiert, dass wir uns im Vergleich zu anderen relativ rarmachen. Live wollten wir aber auch aktuelles Zeug spielen. Wenn ein Stück zum ersten Mal live gespielt wird, ist man noch aufgeregt - das sind so Dinge, die halten uns am Leben. Also musste ein neues Album her. Verkaufstechnisch hat das bei Weitem nicht mehr die Relevanz. Wir hätten auch nur „Zusammen“ rausbringen können, das hätte den gleichen Erfolg gehabt. Oder wenn die Jungs bei „The Voice“ sind, auch das verkauft Tickets. Oder wenn du einen Instagram-Post machst. Für uns als Band ist die Daseinsberechtigung aber einfach die, dass wir uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen möchten. Sondern dass wir uns immer selbst beweisen wollen, dass wir noch eine Relevanz haben.
Für „Captain Fantastic“ arbeiteten die Fantas erstmals mit Textern zusammen. Warum?
Ich hab erst einmal die Vollkrise gekriegt: Wenn wir unsere Texte nicht mehr selber schreiben, was machen wir dann noch selber? Wir können nicht singen, wir spielen keine Instrumente, jetzt müssen wir uns da auch noch helfen lassen. Das fand ich so ein bisschen ... peinlich.
Hat es trotzdem funktioniert?
Ich muss im Nachhinein sagen, dass das die beste Idee überhaupt war. Es war dann nicht so, dass andere uns Texte schreiben - das ginge ja gar nicht. Aber wir haben Inspirationen bekommen, neue Sichtweisen auf die eigene Band, von außen sieht man sich ja nie. Außerdem hat es gegen Smudos ewige Schreibblockade geholfen. Wir haben ihm Textvorschläge gezeigt und gesagt: „Wenn du nix anderes schreibst, singst du das für den Rest deines Lebens auf jeder Bühne.“ Dieses Ohgottohgott-wenns-nicht-mit-mir-passiert-passiert-es-ohne-mich hat eine starke Kraft gehabt!
Im Oktober wurden die Fantas für ihre Verdienste um die deutsche Sprache mit dem Jacob-Grimm-Preis 2018 ausgezeichnet (das Geld spendete die Band an die Seenotretter von "Lifeline", Anm.). Wie fühlte sich das an, einen solchen Preis für Raptexte zu bekommen?
Generell sind wir zwar sehr selbstkritisch, aber eigentlich schon stolz auf das, was wir gemacht haben. Es gibt Songs wie „MfG“, die schreibt nur einer einmal. Also, alleine „MfG“ ist ein Grund, alle Preise zu kriegen (lacht). Natürlich war es auch die Selbstverständlichkeit, mit der wir schon früh gesagt haben, wir müssen unsere eigene Sprache nehmen für Rap - der damals ja noch auf Amerikanisch sein musste. Wir haben im Hip-Hop eher die anarchische Komponente gesehen, mussten es daher zu unserem eigenen Ding machen. Damit haben wir es außerdem geschafft, deutschsprachige Musik für andere Bands zu öffnen.
Angefangen hat alles mit einem Spaß-Song. Welche Beziehung hat die Band heute zu „Die da!?!“?
Wir spielen ihn nach 20 Jahren sogar wieder. Früher wollten wir einfach nicht auf diesen gespielten Witz festgenagelt werden. Mit dem Folgealbum „Die 4. Dimension“ hatten wir uns ja davon befreit - für uns war es sehr wichtig zu zeigen, dass wir mehr als das sind.
Was hat sich geändert?
Mittlerweile sehen wir es halt nostalgisch, als eine Zeitreise in eine bescheuerte Zeit - ich hab sogar die alte „Die da!?!“-Single auf Ebay ersteigert. Wir treten damit auch wieder auf die Bühne und lachen uns schlapp. Aber auch das Publikum feiert diesen Song nach wie vor - und wir feiern ihn auch wieder. Denn damit hat doch alles angefangen.