Die Erwartungen waren groß: Nachdem Karin Dreijer im Oktober des Vorjahres erstmals seit acht Jahren wieder neues Material ihres Soloprojekts Fever Ray veröffentlicht hatte, stand Montagabend im Wiener Gasometer der Auftakt ihrer Welttournee an. Queer-politische Botschaften, knallige Beats, dichte Atmosphäre - all das täuschte leider nicht über allerlei Anlaufschwierigkeiten der Schwedin hinweg.

Gemeinsam mit fünf Mitstreiterinnen betrat Dreijer pünktlich auf die Minute die eher spärlich dekorierte Bühne: Zwei Percussionsets zu beiden Seiten sowie eine kleine Kommandozentrale für Soundtüftlerin Mikaela Hansson waren alles, was es für einen durchaus druckvollen wie transparenten Sound brauchte. Im Zentrum befanden sich Dreijer, mit kahlrasiertem Kopf und grusligem Make-up, sowie ihre Nebensängerinnen, wobei die comichaften Kostümierungen der Band zwischen Fetisch und Sci-Fi changierten.

All das war eigentlich zu erwarten, ist die 42-Jährige doch nicht nur als Fever Ray, sondern auch im Gespann mit ihrem Bruder Olof (dann unter dem Namen The Knife) für höchst eigenwillige wie erinnerungswürdige Auftritte bekannt. Anleihen aus Indie und Alternative werden hier wie dort mit einem elektronisch-avantgardistischen Gestus vermengt, wobei sich Dreijer letztlich wenig um Trends oder Erwartungshaltungen schert. Entsprechend plötzlich war auch "Plunge" im Vorjahr erschienen, ohne große Ankündigung und zunächst nur digital (ab dieser Woche folgen CD und Vinyl).

Der Aufschrei bei Szenemedien wie Fans war jedenfalls groß - auch, weil die Platte höchst gelungen war. Ein Sammelsurium an Klängen, verdichtet zu einem durchaus bekömmlichen Cocktail und unterfüttert mit Texten, die in erster Linie den eigenen Körper, Sexualität und Identität in Richtung maximaler Befreiung ausloteten. Queer, Transgender, Non-binary sind da die Stichworte, die offenbar auch live durch einen exaltierten Gestus im Verkleidungsdschungel ausgelotet werden sollten.

 Karin Dreijer
Karin Dreijer © APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)

Nur leider gelang das einerseits etwas beliebig im Ausdruck und andererseits zunächst ziemlich altbacken im Klang. Stücke wie "An Itch" oder "Mustn't Hurry" präsentierten sich zu Beginn flach und eindimensional, Stimmung wollte in der Halle nicht wirklich aufkommen. Auch als zu "This Country" erstmals politisch die Fäuste gereckt wurden ("Free abortions and clean water/Destroy nuclear, Destroy boring"), gelang das eher wenig mitreißend. Die Performance, so stellte sich am ersten Tourabend heraus, braucht offenbar noch etwas, um entwickelt und zugespitzt zu werden.

Immerhin wurde es mit Fortdauer besser, gab schon "Wanna Sip" eine Vorstellung davon, was mit differenzierter Dynamik und etwas mehr Abwechslung im Lichtdesign möglich ist. Spätestens das von einer Ziehharmonika begleitete "Red Trails" und besonders die Single "To The Moon and Back" sollten dann das Ruder herumreißen, gingen die Hände der (insgesamt äußerst dankbaren) Anhängerschar in die Höhe und wurde ausgelassen jene Party gefeiert, die das Album eigentlich seit Monaten verspricht.

Auch Stücke vom selbstbetitelten Debüt durften nicht fehlen, wurde der kurze Zugabenblock doch vom intensiv wabernden "If I Had a Heart" eingeleitet. Dass sich Dreijer in den eineinviertel Stunden des Gigs nur mit zaghaften Dankeschöns sowie "Es war eine lange Zeit" an ihre Fans richtete, passte letztlich in den unnahbaren Grundcharakter der Darbietung. Während Helena Gutarra und Maryam Nikandish nämlich ebenso oft ihre Körper schüttelten wie sie die Mikrofone bearbeiteten, gab sich der Kreativkopf der ganzen Angelegenheit eher zurückhaltend.

Insgesamt durfte man sich aber freuen, nach so vielen Jahren der Pause wieder einem Auftritt von Fever Ray beigewohnt zu haben. Gerade in Zeiten, in denen Pop zunehmend zur austauschbaren Massenware wird und Experimente gescheut werden, ist Dreijer mit ihrem unkonventionellen Ansatz eine Wohltat. Nicht alles, was avantgardistisch anmutet, muss sperrig sein. Und nicht alles, was eingängig ist, muss auf Inhalte verzichten. Fever Ray bringt beide Welten zusammen - und im Laufe der bis Sommer geplanten Tour sicherlich auch mit der nötigen Selbstverständlichkeit.